Konzert:Feinsinnig bis klangsatt

Konzert: Maria Milstein, Hannes Minnaar und Gideon den Herder (v.l.).

Maria Milstein, Hannes Minnaar und Gideon den Herder (v.l.).

(Foto: Arlet Ulfers)

Das Van Baerle Trio triumphiert im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das war eine echte Überraschung. Nicht, dass die Erwartungen niedrig gewesen wären angesichts der fünfzehnjährigen Erfolgsgeschichte, die das Ensemble schon 2013 zum zweiten Preis im ARD-Wettbewerb geführt hatte. Aber dass es dem Van Baerle Trio aus Amsterdam gelingen würde, das Bosco-Publikum so euphorisch zu stimmen, war alles andere als alltäglich. Zumal die drei Musiker recht zurückhaltend auftraten: Sie verstanden es, weniger sich selbst, als voll und ganz die Musik in den Fokus zu stellen.

Oft schien es, sie freuten sich wie die Zuhörer über die wunderbaren Einfälle von Beethoven und Schubert. Hingabe und tiefe Konzentration ließen das Trio eins mit der Musik werden. Dabei sind die beiden in den Ausmaßen geradezu monumentalen Grand Trios mächtige Herausforderungen, die neben kammermusikalischen Feinsinnigkeit sinfonische Größe und Weite verlangen. Bei Beethoven rührte das Orchestrale vom Ausgangsmaterial her, das im Septett Es-Dur op. 20 auf einen breiten Klangreichtum mit Bläsern und Streichern ausgelegt war. In der Reduktion aufs Klaviertrio op. 38 oblag der komplette Streichersatz Hannes Minnaar am Flügel, der ihn entsprechend differenziert ausgestaltete und eine solide Basis für das feine Changieren in den Stimmungen bot. Das Violoncello hatte viele verschiedene Funktionen, die Gideon den Herder mit Fingerspitzengefühl in adäquaten Färbungen behutsam einbrachte. Nebenbei kam ihm auch die Vermittlerrolle zwischen Streicherduo und Klavier zu. Den führenden Klarinettenpart des Septetts ließ Beethoven nahezu unverändert stehen, bot ihn aber der Geige an. Maria Milstein verstand es bravourös, diese Stimme in violinistische Qualitäten zu übersetzen, nur so war eine entschiedene Ausdruckskraft möglich. Ihre große Stärke aber ist es, berührende Kantilenen von seelentiefer Empfindsamkeit wiederzugeben, vor allem mit einem tief unter die Haut gehenden Adagio cantabile. Der Variationssatz an vierter Stelle gab dem Trio wiederum die Möglichkeit, Ausdrucksvielfalt zu demonstrieren, die in allen nur erdenklichen Konstellationen oft für überraschende Wendungen sorgte. Ausgeprägter fielen die Charakterunterschiede zwischen den sechs Sätzen aus: effektvoll auf dem Weg zum Finale zwischen heiter ausgelassenem Scherzo und einem orchestral aufgebauten Presto-Schluss.

Während man die Motive hinter dem Gelegenheitsarrangement Beethovens nur vermuten kann, war die Absicht bei Schubert klar: Herausragende Interpreten hatten ihn dazu angeregt, in der Spätphase Klaviertrios in Angriff zu nehmen. Als der Geiger Ignaz Schuppanzigh ein erstklassiges Klaviertrio gegründet hatte, ließ sich Schubert die Chance nicht entgehen, großartige Interpretationen seiner Werke zu erleben. Im Bosco versprach schon der Einstieg in den Kopfsatz tief beseelte Musik, den Farbenreichtum griff das Trio großzügig auf. Feinstes Changieren zwischen aussagestarken Wendungen und Stimmungsumbrüchen erzeugte betörende Klangerlebnisse. Das Ensemble tarierte permanent nach, erspürte und ertastete schönfarbige Konstellationen, schuf Übergänge, lotete Kontrastwirkungen aus, überraschte mit leidenschaftlichen Ausbrüchen und straffen Verdichtungen. Vor allem aber behielt es dabei die Gesamtidee im Blick und folgte einer klaren Dramaturgie. Auch hier kam es auf die Verbindung feinsinniger Kammermusik mit klangsatter Symphonik an, die das Van Baerle Trio flexibel hielt und nicht als einander wesensfremd formulierte. Es zog keine Grenzen, vielmehr stellte es beide Zugriffe als Varianten derselben Idee vor. Diese Konstellation sollte in der Zugabe das "Allegro ma non troppo" aus dem Klaviertrio Es-Dur op. 70/2 Beethoven klanglich nah an Schubert heranrücken. Ein hinreißender Beitrag, der einen Kreis im Programm schloss und das Publikum für seine Begeisterungsfähigkeit großzügig belohnte.

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