Konzert:Die glorreichen Sieben

Tutzing, Ev.Akademie Konzert

Mit viel Spielfreude: vier der sieben Solisten des BR-Symphonieorchesters beim Auftritt im großen Saal der Evangelischen Akademie Tutzing.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Musiker des Kubelík-Ensembles stoßen bei Kammermusik von Dvořák und Brahms bis in die Extreme vor und überzeugen in der Evangelischen Akademie Tutzing zugleich mit dramaturgisch schlüssiger Linie

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Ein sehr spiel- und sinnenfreudiges Programm war es, mit dem die Solisten des BR-Symphonieorchesters in die Evangelische Akademie Tutzing lockten. Gut aufeinander eingespielte Musiker bilden den Pool dieses nach ihrem einstigen Chefdirigenten Rafael Kubelík benannten Ensembles, je nach Bedarf können sie zu vielfältigen Besetzungen zusammengestellt werden. In Tutzing spielten Julita Smoleń und Andrea Kim an den Violinen, Benedict Hames und Alice Marie Weber an den Violen, die aus Starnberg stammende Katharina Jäckle und Samuel Lutzker an den Violoncelli sowie Lukas Maria Kuen am Klavier ihre Stärken im Streichquartett, Klavierquartett und Streichquintett aus.

Diese Flexibilität ist nicht nur veranstalterfreundlich, sondern bietet auch dem Publikum reichlich Abwechslung. Das Programm bot große, höchst anspruchsvolle Meisterwerke, die sowohl kammermusikalische Feinheiten als auch orchestrale Qualitäten in sich vereinen. Was vor allem für die Kompositionen der beiden Zeitgenossen Dvořák und Brahms galt, die es verstanden, betörend schöne Klangfärbungen und zauberhafte Melodien zu kreieren.

Dvořáks Es-Dur-Klavierquartett op. 87 changiert ungeheuer reichhaltig zwischen den extremen Ausprägungen, was den Musikern viel spieltechnische Finesse abverlangte, die sie mit Bravour und viel Fingerspitzengefühl in zu meistern verstanden. Die besondere Qualität des Werkes sind zweifelsohne dessen farbliche Kombinationen, vordringlich im Zusammenspiel mit dem Klavier, zumal auch folkloristische Elemente für Abwechslung sorgten. Gerade die Volkstümlichkeiten breiteten bei Dvořák ausgefeilte Charakteristika zwischen sehnsuchtsvollen Melodien und polternder Tanzseligkeit aus. Das hatte der Komponist schon in den ersten Kopfsatztakten abgesteckt, wo nach einem furios-satten Ausbruch sogleich erfrischende Leichtigkeit folgte. Ein Vorgeschmack auf ein üppiges Auf und Ab in gestalterischer wie emotionaler Hinsicht.

Der Verleger Simrock hatte Dvořák dazu gedrängt, Klavierquartette zu schreiben, da er schon bei Brahms damit einen guten Verkaufserfolg erzielen konnte. Eine Situation, die den vermeintlichen Konkurrenten Brahms noch mächtiger erscheinen ließ. Das dürfte für Dvořák der Grund für die Intensität des Werkes und Überfülle der darin verarbeiteten originellen Ideen gewesen sein. Dennoch verstand es das Ensemble, das weitgefächerte Spektrum dramaturgisch auf eine schlüssige Linie zu bringen. Zumal mit der "Italienischen Serenade" in G-Dur für Streichquartett von Hugo Wolf als Warm-up zuvor eine Sensibilisierung des Hörens gelungen war. Dort ging es um eine erzählerisch dargestellte Ständchen-Szene, die mit spielerischer Leichtigkeit und Witz die Empfänglichkeit für feinsinnige Zwischentöne zu aktivieren vermochte. Beredsame Wendungen und Wechselstimmungen mobilisierten die volle Aufmerksamkeit der Hörer. Solche die Imagination befeuernden szenischen Momente gab es auch bei Dvořák, etwa im dritten Satz schon im charmant-geschmeidigen Beginn, später im forschen Galopp oder mit dem orientalisierenden Klaviermotiv.

Brahms an letzter Stelle zu spielen, ergab sich nicht nur durch die ausladende Dimension des Werkes, sondern auch durch die Chronologie. Letztendlich aber auch durch die Steigerung der Materie in vielerlei Hinsicht. Das Streichquintett G-Dur op. 111 sollte Brahms' letztes werden, bevor ihn dann ein Klarinettist mit seinem meisterhaften Spiel zum Weitermachen bewog. Doch Brahms hatte im Streichquintett schon die Bilanz seines kompositorischen Werkes gezogen. Das Kubelík-Ensemble betrachtete es auch vor diesem Hintergrund und zog alle Register, bis hin zu orchestralen Fülle in satter Substanz. Brahms gab den musizierfreudigen Streichern reichlich Material an die Hand, lustvoll an die Interpretation heranzugehen. Ja selbst von Moll eingetrübte, weite Rücknahmen hatten durch die Leidenschaft in der Ausführung große Intensität, beim elegischem Sinnieren etwa des "un poco Allegretto" indes einen legendenhaften Zauber. Die Wirkungen steigerten die fünf BR-Symphoniker mit extremer Kontrastierung und immer wieder unerwarteten Wendungen, vor allem hin zu geistvollen Rücknahmen. Die emotionalen Ausbrüche konnten dagegen weit in die symphonische Fülle hineinreichen und imposante Effekte inszenieren. So schließlich auch in der Vorbereitung des Finales, das in einem wuchtigen Donner kulminierte. Frenetischer Schlussapplaus.

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