Süddeutsche Zeitung

Konzert:Bayrisch-brasilianische Lebensfreude

Die Band "Bavaschôro" wagt eine Mischung aus Samba und Zwiefachem

Von Patrizia Steipe, Gilching

Er gilt als Vater des Samba, der Choro (gesprochen: Schoro), eine Musikrichtung, die in den 1870er-Jahren in den Städten Brasiliens entstand. Die lebensfrohe Kaffeehaus- und Tanzmusik hat die Münchner Band Bavaschôro wiederentdeckt. Wie der Name ahnen lässt, haben die fünf Musiker das Brasilianische mit bayerischen Einflüssen gemixt und ihren Stücken damit eine eigene Handschrift gegeben.

Zum Auftakt der sechsten Gilchinger Kulturwoche verwandelte Bavaschôro den Veranstaltungssaal im Rathaus in einen praia brasileira (brasilianischen Strand). Zur Einstimmung ließen Bewegungskünstler des Christoph-Probst-Gymnasiums vor den Fenstern leuchtende Keulen durch die Lüfte fliegen. Temperamentvoll ging es dann im Innenraum weiter. Ludwig Himpsl, der ein ganzes Arsenal an Instrumenten beherrscht und Xaver Himpsl (Horn) sind auch als Mitglieder der Unterbiberger Hofmusik bekannt. Sie haben bayerische Volksmusik und Jazz in die Band gebracht. Gitarrist Henrique de Miranda Rebouças und Saxofonist Marcio Schuster sind als gebürtige Brasilianer quasi mit Samba aufgewachsen und Gitarrist Luis Hölzl, der auf der siebensaitigen Gitarre spielte, verbindet beides durch seine portugiesischen und bayerischen Elternteile. An dem Abend war außerdem die brasilianische Sängerin Dandara Modesto mit dabei, eine charismatische Performerin aus Zürich mit einer kraftvollen und zugleich weichen Stimme, die 2016 Stipendiatin in der Feldafinger Villa Waldberta war.

Mit "Mei depperts Herz" hat Bavaschôro den Klassiker des Komponisten Pixinguinha "Carinhoso" auf Bayerisch interpretiert. Zuerst hätten sie den Text auf deutsch übersetzt. "das war so schmalzig, das ging gar nicht", erklärte Xaver Himpsl. Auf Baierisch dagegen, "das ging". Und so schmachteten die Musiker: "und meine Augen schiagln zu dir hi", "wiar a wuids Reh haust immer ab" und "geh, komm gib mir jetzt a Busserl". Immer wieder wechselten die Musiker von den Choro- und Sambarhythmen zum Zwiefachen oder Polka. So ließ Karl Valentin grüßen bei der Version von "Nivaldo no Choro". Hier wechselte die brasilianische Melodie zum bayerischen "die alten Rittersleut" und trotz der Kontraste passte das sehr gut. "Bier her!", "Wein her!", "Schnaps her!" skandierten die Musiker, und das Publikum klatschte im Rhythmus. Die eigene Version von "Santa Morena" von Jacob do Bandolin gab Xaver Himpsl die Gelegenheit zu gewagten Läufen mit seinem Flügelhorn.

Das Motto der Kulturwoche lautet "Anders.reich". Es wurde vor der Corona-Pandemie kreiert, damals ahnte keiner, dass die Worte ein paar Monate später erschreckend aktuell sein würden. Denn "anders" ist unsere Zeit zweifellos, wie Bürgermeister Manfred Walter bei der Begrüßung betonte, "reich" aber auch und zwar dadurch, dass bei vielen andere, menschlichere Werte das Leben bereicherten. Mit 31 Veranstaltungen an neun Orten in Gilching werden die Kulturfreunde jetzt für die Zeit des Kulturfastens entschädigt. Außer den Besuchern im Rathaussaal gab es Zuhörer beim Eröffnungskonzert, die sich Karten für den Livestream am heimischen Computer gekauft hatten.

Am Schluss gab es großzügige Zugaben, eine rasante Version von "Chico, Chico" als Rausschmeißer und sehr viel Jubel. Die Musiker hatten immerhin sechs Monate lang auf ihren Auftritt in Gilching gewartet und kosteten ihn bis zur letzten Sekunde aus.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2020
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