Konzert:Barocke Sinnenfreuden

Konzert: Im Rahmen der Ammerseerenade gastierten in Schondorf (v.li.) die Stipendiaten Ye-Eun Choi (Geige), Doo-Min Kim (Cello), Vladimir Babeshko (Bratsche).

Im Rahmen der Ammerseerenade gastierten in Schondorf (v.li.) die Stipendiaten Ye-Eun Choi (Geige), Doo-Min Kim (Cello), Vladimir Babeshko (Bratsche).

(Foto: Arlet Ulfers)

Das südkoreanisch-russische Trio Choi, Babeshko und Kim verzückt mit Bachs Goldberg-Variationen

Von Reinhard Palmer, Schondorf

Es war seine erste Transkription: Dmitrij Sitkowetski legte Bachs Goldberg-Variationen in der Version für Streichtrio bereits 1984 vor, in einer Zeit, als jegliche Bearbeitungen bei Konzertbesuchern Naserümpfen hervorriefen. Nach und nach wurden aber die Qualitäten dieser Version erkannt. Den reinen Cembalosatz auf drei homogen agierende Musiker zu verteilen, bringt schon an sich eine größere Präzision in der Phrasierung und Ausgestaltung der einzelnen Stimmen mit sich. Zudem vermögen drei Streichinstrumente weit mehr Klangnuancen zu kreieren, als ein Cembalo selbst mit zwei Manualen, drei Registern und einem Lautenzug.

Die Frage ist nur, ob das Werk den Reichtum verträgt. Als Antwort darauf brachten die Stipendiaten der Anne-Sophie Mutter Stiftung Ye-Eun Choi (Violine), Vladimir Babeshko (Viola) und Coo-Min Kim (Violoncello) zum Konzert der Ammerseerenade im Landheim Schondorf eine besondere Spielart mit, die durchaus auch historische Aspekte berücksichtigte, so etwa Tonformung fast gänzlich ohne Vibrato. Weit wichtiger war diese leicht verschattete, doch überaus charakterintensive Spielweise aber eher dafür, der in dieser Besetzung drohenden Gefahr der Romantisierung entgegen zu wirken. Barocke Sinnenfreuden sind von tief beseelter, ja frommer Emotionalität und selbst in den strahlenden Registern immer noch erdgebunden, genauso wie die kraftvoll-vitalen Sätze noch eine gewisse Lyrik zu vermitteln vermögen.

Die Großartigkeit des Trios Choi, Babeshko und Kim bestand vor allem im Zusammenspiel, bei dem die unentwegt wechselnden instrumentalen Konstellationen - bisweilen auch nur im Duo - und spieltechnischen Charakterfinessen stets sorgfältig austarierte Formulierungen fanden. Mal drängte der Satz rasch und im erregt-spritzigen Duktus voran, mal verzauberten filigrane Girlanden mit heitererer Unschuld, mal tänzelte das Trio rhythmisiert oder synkopiert mit leichter Spritzigkeit umher, mal umflossen sich die drei Streicher in zarter Lyrik oder fluteten den Saal mit satten Wogen voller Melancholie, sangen melodiöse Weisen oder polterten musikantisch. Man könnte mit den Nuancenbeschreibungen Bände füllen. Die drei jungen Musiker legten jeden Ton auf die Goldwaage, um ihn exakt so zu formen, wie es sein Sinn im mehrstimmigen Satz verlangt. Und das erforderte schon eine enorme Konzentration, sind doch viele der 30 Variationen mitunter von bravourös-virtuoser Diktion. Aber selbst dann bewies das Trio Sicherheit im Zugriff.

Letztlich steht und fällt aber alles mit der Interpretation des Themas, das vor und nach den Variationen angestimmt wird. Ergreifend und von inniger Zartheit formten die Südkoreaner und der Russe diese berührende Melodie - warm und schlicht, wie es das Cembalo so nicht vermag. Dennoch unkaputtbar schön. Die heitere Pizzicato-Variation Nr. 19 als Wiederholungszugabe.

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