Konzert:Auftakt mit Raritäten

Andechs Klosterkirche Konzert

Die Bandbreite der Orgelmusik ausgereizt: Philip Crozier vor der Andechser Jann-Orgel.

(Foto: Georgine Treybal)

Organist Philip Crozier spielt in der Wallfahrtskirche Andechs Musik von Piet Post, Denis Bédard und Bedřich Wiedermann

Von Reinhard Palmer, Andechs

Europa, insbesondere Deutschland war schon Zielregion für Tourneen des Orgelvirtuosen, als er noch zusammen mit seiner inzwischen gestorbenen Ehefrau Sylvie Poirier im Duo konzertierte. Seit Ende 2013 setzt Philip Crozier seine Tourneen solistisch fort und ist dabei kein seltener Gast in Bayern.

Mit der Einladung in die Wallfahrtskirche Andechs griff die Andechser Kirchenmusikerin Sul Bi Yi die intensiven Bemühungen ihres Vorgängers auf, die wunderbare Jann-Orgel von 2005 in dem Gotteshaus auch konzertant von Gastmusikern bespielen zu lassen. Von diesem September an sollen regelmäßig Konzerte zu hören sein, kündigte sie an, allerdings noch ohne das inhaltliche Konzept der Reihe zu verraten.

Die Vorhut übernahm Philip Crozier, der aus England stammende und im kanadischen Montreal wirkende Orgelvirtuose, mit einem Rundumschlag durch viele Epochen und Musiklandschaften. Dabei mit einer deutlichen Hinwendung zu Kompositionen des 20. Jahrhunderts, die nur wenige der zahlreichen Zuhörer in die Flucht schlugen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich in Andechs in den vergangenen Jahren eine Kennerschaft entwickeln konnte, die eben auch der zeitgenössischen Orgelliteratur die Treue hält.

Was zunächst im Programm nach Beliebigkeit aussah, schloss sich auf einer recht publikumswirksamen Ebene zu einem Konzept zusammen: Crozier wählte die Farbigkeit der Register als verbindendes, beziehungsweise sich ergänzendes Element. Gerade die Meister aus jüngster Zeit gaben diesem Thema reichlich Nahrung, vor allem durch die Vielschichtigkeit der Stimmen, abstrakten Tongebilde sowie durch die ereignisreichen Entwicklungen, die zur Klarheit und Transparenz klangfarblich deutlich differenziert werden mussten.

Geradezu exemplarisch dafür stand die "Partite diverse sopra 'Le Lofzang van Maria' (Magnificat)" des Niederländers Piet Post, eines allzu sehr vernachlässigten Komponisten der Nachkriegsgeneration. Die in ihren sieben Sätzen auf jeweils einen strengen Rahmen bauende Partita offenbarte in den einzelnen Ausprägungen eine inspirierende Vielfalt, der Crozier mit klaren Farb- und Phrasierungscharakteren gerecht wurde.

Sinnlicher und empfindsamer zeigte sich indes der auch in Europa ausgebildete Kanadier Denis Bédard, dessen "Hommage" - zum Gedenken an Poirier - von 2014 mit sinnierender Innigkeit über chromatisch klagender Unterlage sehr persönliche Töne anschlug. In einer derart geheimnisvollen Klangsinnlichkeit setzte auch "Pastourelle" von 1980 vom ebenso europäisch orientierten Kanadier Alain Gagnon an, um jedoch mit einem kraftvollen Ausbruch der Schäferin (so der Titel) ein bewegtes Innenleben zuzugestehen.

Überraschend gemäßigt in der Modernität erwiesen sich die neun "Epigrams" des Ungarn Zoltán Kodály, die als aphoristische Charakterstücke sehr reizvolle Eigenheiten entwickelten, mal melodiös, mal verträumt, schon mal tänzerisch oder nervös schwirrend.

Was darin im Kleinen geschah, steigerte der Tscheche Bedřich Wiedermann ins Großformat seines "Impetuoso", das mit virtuosen Kaskaden einsetzte, vor Kraft nur so strotzte und bisweilen sogar rhythmisch fetzig ins Grooven geriet. An Gestaltungselementen hatte der einst international konzertierende Wiedermann darin nicht gespart. Er gab Crozier wieder einmal eine breite Palette an Möglichkeiten an die Hand, die Bandbreite des Orgelausdrucks breit und bis ins Humorvolle zu spannen.

Die Klassiker im Programm profitierten als Kontrastmittel von der unkonventionellen Art der neueren Kompositionen. Crozier nutzte den erfrischenden Rahmen dafür, Werke von Meistern wie Bach und Buxtehude expressiver auszuprägen. Gerade in Buxtehudes "Präludium in e-Moll" (BuxWV 143) führte die Steigerung zu einem explosiven Finale. Anders das "Tierce en Taille en D" aus dem anonymen "Livre d'Orgue de Montréal" des frühen 18. Jahrhunderts, das in melismenreich flötender Lyrik und mit Wärme daherkam.

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