Süddeutsche Zeitung

Konzert:Abschied mit fetzigen Riffs

Lesezeit: 2 min

Das Trio Langer, Schmid und Messina spielt im Beccult Rock- und Popklassiker

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Angesichts des bevorstehenden Lockdowns schwang viel Wehmut im Pöckinger Beccult mit, als "Jazz am See" zum möglicherweise letzten Konzert in diesem Jahr einlud. Besonders viel Herzblut und Liebhaberei brachte ins Spiel, dass die drei Protagonisten, die bereits seit 14 Jahren auf der gleichen Wellenlänge reiten, ihre Lieblingssongs spielten. "The Beat goes on" heißt die dazugehörige CD, die das Trio Thomas Langer (Gitarre), Wolfgang Schmid (Bass) und der Argentinier Daniel Messina (Schlagzeug) im Habacher Village live aufgenommen hat. Mit Betonung auf live, denn Spontaneität spielte auch im Beccult keine geringe Rolle.

Die Neuauslegungen der Klassiker hatten viel Eigencharakter, auch wenn ihre Vorlagen zumindest in den Themen unverkennbar blieben. Die meisten stammen aus der legendären Gitarrenrock-Zeit, die sich mit großen Namen von Jimmy Hendrix über Carlos Santana bis hin zu Ritchie Blackmore ( Deep Purple) in den 1960er- bis 1970er-Jahren verewigt hat. Auch Schmid, Langer und Messina wilderten in dieser Epoche, erstaunten allerdings mit ihrer Wahl von Songs, die eher wenig Virtuosität am Instrument verlangen. Schlichte, zum großen Teil sehr melodische Stücke, die gerade deshalb auch unmittelbar ansprechen und schnell zu Ohrwürmern werden - Mitsingen inklusive. Wobei Gitarrist und Bassist in den Refrains auch selbst immer wieder zweistimmig überzeugten. Die Eingängigkeit machte es leichter, die Themen gedanklich mitzuführen, während sie die drei Musiker an ihren Instrumenten improvisierend weiterdachten.

Alle hielten sich in der Nutzung elektronischer Effekte zurück. Die besondere Wirkung entsprang spieltechnischen Finessen wie etwa verschiedenen Weisen, die Saiten zu zupfen, zu dämpfen, sie mit der Griffhand niederzudrücken, oder eben am Schlagzeug mit der Intensität im Spiel, mit Schlagdichte, sattem oder trockenem Klang. Das hatte den Vorteil, dass emotional mehr Ausdrucksvarianten möglich waren und modelliert werden konnten. Da schien die eine oder andere Jugenderinnerung dranzuhängen, als die Musiker ihre Instrumente sprechen ließen oder den Chorus genussvoll aussangen.

"Smoke on the Water" von Deep Purple bekam trotz moderater Lautstärke reichlich Kernigkeit auf den Weg. Hardrock war gut dafür geeignet, dem Schlagzeug mal freien Lauf zu lassen, was Messina auch dafür nutzte, Bass und Gitarre zu übertönen. Das hatte schon was Wildes und Fetziges, während bisweilen die Gitarrenriffs dahinter kontrastierend ruhig fortliefen, um sich nach einem Break in empfindsame Spuren aufzulösen. Bei "I was made to Love her" von Stevie Wonder lag die Sache anders, denn der Titel hat eine "geile Baseline", wie Schmid sagte, bevor er mit seinem klar artikulierenden Bass den Saal in Vibrationen versetzte. Aber auch sonst bewegte sich Schmid nicht nur im Begleitfach, sondern jonglierte zwischen Bassfiguren, zweiter Gesangsstimme und reizvollen Zusatzeffekten. So auch im Titelsong "The Beat goes on", bevor das Trio zum Konzertfinale - vor den zwei Zugaben - ansetzte.

Fürs Kontrastprogramm griff das Trio zu entspannteren Titeln wie etwa Santanas "El Farol", in denen Langer wirkungsvoll weite melodische Bögen spannte. Beim melancholischen Gesang sollte es jedoch nicht bleiben: Vor allem die Gitarren vermochten selbst mit ordentlichem Drive noch empfindsam zu singen. In "Ferry Cross the Mersey" von Gerry & The Pacemakers bauten die Musiker aus sanften Klangvarianten mächtige Rockpower auf, bevor der Song erneut zurücksank. Das war sehr wirkungsvoll, zumal minutiös aufgebaut. Den Höhepunkt erreichte die leichtere Gangart dann mit dem lässig-lockeren Reggae "No women, no cry" von Bob Marley, in dem die Musiker ihre Freude an geradezu verspielten Effekten demonstrierten und Vergnügtheit in die Stimmung brachten. Das wird jetzt allen am meisten abgehen.

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SZ vom 02.11.2020
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