Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Weßling:Kampf ums Dorf mit Geschosswohnungen

Bei der Debatte der Bürgermeisterkandidaten herrscht viel Einigkeit - außer beim Thema "Klimanotstand".

Von Patrizia Steipe

Wer die fünf Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Weßling nicht kennt, dem wäre es schwer gefallen, hätte er Klaus Ebbinghaus (SPD), Sebastian Grünwald (Grüne), Andreas Lechermann (CSU), Roland von Rebay (Parteilos) und Michael Sturm (Freie Wähler) einer Partei zuordnen sollen.

"Die Baumschutzverordnung halte ich für nicht praktikabel", erklärte beispielsweise Sebastian Grünwald (Grüne) und stimmte damit den Mitbewerbern aus den anderen Parteien zu, die der Ansicht waren, dass dieses Regelwerk zu einem Kahlschlag in den Gärten führen würde. Dafür versicherte Andreas Lechermann (CSU), dass er brachliegende Flächen in Blühwiesen verwandeln wolle - aber auch in diesem Punkt waren sich alle einig.

Die Podiumsveranstaltung im Pfarrstadel hatten "Unser Dorf" und die Agendagruppe "Ortsgestaltung und Verkehr" organisiert. Zwei Minuten Zeit hatte jeder, um auf die vorbereiteten Fragen zu antworten, außerdem ließ Moderator Dieter Oberg Fragen aus dem Publikum zu. Zahlreich waren die Weßlinger gekommen. So war nicht nur der Veranstaltungssaal gesteckt voll, auch im Foyer, wo die Diskussion auf einer Leinwand übertragen wurde, herrschte drangvolle Enge.

Genossenschaftswohnen auf den Gemeindegrundstücken sahen alle als geeignetes Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Lechermann möchte dazu mehr Wohneinheiten in den großen Einfamilienhäusern zulassen. Es sollten auch neue Wohnformen ausprobiert werden, so Rebay - und damit die Visionen umgesetzt werden, warb Sturm dafür, das neue Kommunalunternehmen der Gemeinde für den Hausbau einzuspannen.

Immer wieder klang bei den Bürgern die Sorge durch, dass Weßling seinen dörflichen Charakter verlieren könnte angesichts der Bauvorhaben im Ort und der möglichen Gewerbeansiedlungen bei Oberpfaffenhofen, die - so Oberg - bis zu 20 000 neue Arbeitsplätze generieren könnten. "Wir bauen unser Land zu für diesen unsäglichen Trend", kritisierte Rebay. Die Gemeinde brauche die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, mahnte Sturm. Dabei müsse das Wachstum gesteuert werden, waren sich alle einig.

Was das Dörfliche betrifft, so sei dies angesichts der Geschosswohnungen in der Hauptstraße sowieso zumindest in Weßling vorbei, meinte Ebbinghaus, der auf Innenverdichtung setzt, "denn wir wollen nicht über unsere Grenzen hinauswachsen". "Das Dorf sind nicht die Bauernhäuser, sondern das Zusammenkommen der Menschen", auch mit Geschosswohnungen könne man Dorf bleiben, so Grünwald. Für Rebay gehörte eine "Lebendigkeit" in ein Dorf mit Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten und Lechermann bekam Bravorufe dafür, dass er "Ehrenamt, Vereine und Traditionen" mit dem Dorfbegriff verband. Zustimmung aus dem Publikum gab es für Ebbinghaus, der Veranstaltungen am Ort dadurch unterstützen möchte, dass die Gemeinde die Haftpflichtversicherung für sie übernimmt. Beim Verkehr lauteten die Ideen etwa halbstündlicher Bürgerbus (Rebay), Toiletten am Bahnhof (Sturm), Barrierefreiheit (Grünwald) und Gratis-Nahverkehr im Ort (Ebbinghaus).

Einzig beim Thema "Umwelt" gab es deutliche Unterschiede. Grünwald sprach sich dafür aus, dass Weßling den "Klimanotstand" ausrufe, dadurch müssten alle Entscheidungen der Gemeinde auf ihre Auswirkungen auf das Klima hinterfragt werden. An dem Begriff "Notstand" störten sich Lechermann und Sturm. Für den höflichen Umgang, bei dem sich die Kandidaten wiederholt gegenseitig zustimmten, gab es am Schluss Applaus.

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SZ vom 14.02.2020
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