Kommunalwahl in Weßling:Kampf ums Dorf mit Geschosswohnungen

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Bei der Debatte der Bürgermeisterkandidaten herrscht viel Einigkeit - außer beim Thema "Klimanotstand".

Von Patrizia Steipe, Weßling

Wer die fünf Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Weßling nicht kennt, dem wäre es schwer gefallen, hätte er Klaus Ebbinghaus (SPD), Sebastian Grünwald (Grüne), Andreas Lechermann (CSU), Roland von Rebay (Parteilos) und Michael Sturm (Freie Wähler) einer Partei zuordnen sollen.

"Die Baumschutzverordnung halte ich für nicht praktikabel", erklärte beispielsweise Sebastian Grünwald (Grüne) und stimmte damit den Mitbewerbern aus den anderen Parteien zu, die der Ansicht waren, dass dieses Regelwerk zu einem Kahlschlag in den Gärten führen würde. Dafür versicherte Andreas Lechermann (CSU), dass er brachliegende Flächen in Blühwiesen verwandeln wolle - aber auch in diesem Punkt waren sich alle einig.

Weßling soll bleiben, wie es ist, finden die Bürgermeisterkandidaten - hier der Blick vom Turm der Christkönigkirche. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Podiumsveranstaltung im Pfarrstadel hatten "Unser Dorf" und die Agendagruppe "Ortsgestaltung und Verkehr" organisiert. Zwei Minuten Zeit hatte jeder, um auf die vorbereiteten Fragen zu antworten, außerdem ließ Moderator Dieter Oberg Fragen aus dem Publikum zu. Zahlreich waren die Weßlinger gekommen. So war nicht nur der Veranstaltungssaal gesteckt voll, auch im Foyer, wo die Diskussion auf einer Leinwand übertragen wurde, herrschte drangvolle Enge.

Handeln statt reden

Klaus Ebbinghaus (SPD)

Er sei einer, der "nicht so wahnsinnig viel Worte macht, sondern handelt", sagt SPD-Kandidat Klaus Ebbinghaus von sich. Der 54-jährige Vater zweier Töchter sitzt seit zehn Jahren im Gemeinderat und bringt seine Erfahrungen als Handwerksmeister ein. Seit 29 Jahren arbeitet er im Gebäudemanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Darauf führt er sein Wissen über Baurecht und energieeffizientes Betreiben von Gebäuden zurück. Weiterer Schwerpunkt ist das Vertrags- und Vergaberecht von öffentlichen Aufträgen. Mit dieser Kompetenz hofft er, bei der Bürgermeisterwahl punkten zu können. Im Gemeinderat ist Ebbinghaus für sein besonnenes und ausgleichendes Auftreten geschätzt. Als Hobbys nennt er Singen und Segeln. PAT

Vollzeit-Wahlkampf

Sebastian Grünwald (Grüne)

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(Foto: Arlet Ulfers)

Mit 28 Jahren ist Sebastian Grünwald (Grüne) der jüngste Weßlinger Bürgermeisterkandidat. Trotzdem hat er als Projektleiter in der IT bereits Erfahrungen in Teamführung und Verwalten eines Budgets gesammelt. Der studierte Mathematiker lebt in Oberpfaffenhofen. In den letzten vier Monaten hat sich der ledige Weßlinger vier Monate lang freistellen lassen, sich viel Sachkenntnis angeeignet und mit Leidenschaft in den Wahlkampf gestürzt, Hausbesuche gemacht und Veranstaltungen besucht. Grünwald ist mit drei Brüdern in Weßling aufgewachsen und hat sich jahrelang als Vorstandsmitglied im Jugendhaus engagiert. "Ich bringe viel Energie und eine neue Denkart mit", erklärte er. Eines seiner Ziele ist, die Digitalisierung voranzubringen. PAT

Vielseitig engagiert

Andreas Lechermann (CSU)

Der 34-jährige Andreas Lechermann hat sich den Wählern als "Rundum-Paket an Energie und Kraft" vorgestellt. 1300 Haushalte hat Lechermann im Wahlkampf bereits besucht. Viele kennt der gelernte Gas- und Wasserinstallateur von beruflichen Einsätzen. Seit 2014 sitzt Lechermann für die CSU im Kreis- und im Gemeinderat. Hier ist er für Fleiß und Zielstrebigkeit bekannt. "Ich bin nie unvorbereitet", betont er. Regelmäßig bringt er Anträge ein. Lechermann ist ledig. Ehrenamtlich engagiert er sich in vielen Vereinen. Er ist Gauschützenmeister im Schützengau Starnberg, bei der Feuerwehr Oberpfaffenhofen, der Landjugend, dem Männergesangsverein, dem Schützenverein Frohsinn und macht in der Kirchenverwaltung St. Georg mit. pat

Ziele im Blick

Roland von Rebay (parteilos)

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(Foto: Arlet Ulfers)

Roland von Rebay kann auf zwölfjährige Erfahrung als Gemeinderat und sechs Jahre im Kreisrat zurückblicken. Der studierte Wirtschaftsinformatiker saß für die CSU am Ratstisch, die er 2017 verließ, nachdem er ihr einen "Rechtsruck" vorgeworfen hatte. Danach war er in die FDP eingetreten. Der 1957 geborene Weßlinger tritt aber parteifrei und ohne Liste als Bürgermeisterkandidat an. In der Ortspolitik sei eine Zugehörigkeit zu einer Partei eher hinderlich, so seine Meinung. In den letzten Jahren hat sich der Vater von vier Kindern für den Schulneubau engagiert. Beruflich managt er Projekte in der Unternehmensberatung, ist auch als Coach und Buchautor in der Persönlichkeitsentwicklung tätig. "Ich weiß, wie man aus einer Vision Ziele ableitet", sagt er. Pat

Kurzentschlossen

Michael Sturm (Freie Wähler)

Michael Sturm ist seit 18 Jahren Gemeinderat und seit sechs Jahren zweiter Bürgermeister. Dabei sitzt er für die Freien Wähler am Ratstisch. Er weiß, wie der Laden läuft, denn er hat den scheidenden Bürgermeister Michael Muther öfter vertreten. Diese Erfahrungen wirft Sturm bei seiner Kandidatur in die Waagschale. Die Entscheidung zu kandidieren ist übrigens erst ganz kurzfristig gefallen. Der 52-jährige studierte Elektro- und Datentechniker ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Sturm wohnt in Hochstadt und hat ein Entwicklungsbüro für Industrieelektronik im Argelsrieder Feld mit rund 20 Mitarbeitern. Im Gemeinderat ist Sturm als Macher bekannt. Schnelle Entscheidungen und Effizienz sind Eigenschaften, die er aus der Wirtschaft in die Verwaltung bringen möchte. pat

Genossenschaftswohnen auf den Gemeindegrundstücken sahen alle als geeignetes Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Lechermann möchte dazu mehr Wohneinheiten in den großen Einfamilienhäusern zulassen. Es sollten auch neue Wohnformen ausprobiert werden, so Rebay - und damit die Visionen umgesetzt werden, warb Sturm dafür, das neue Kommunalunternehmen der Gemeinde für den Hausbau einzuspannen.

Immer wieder klang bei den Bürgern die Sorge durch, dass Weßling seinen dörflichen Charakter verlieren könnte angesichts der Bauvorhaben im Ort und der möglichen Gewerbeansiedlungen bei Oberpfaffenhofen, die - so Oberg - bis zu 20 000 neue Arbeitsplätze generieren könnten. "Wir bauen unser Land zu für diesen unsäglichen Trend", kritisierte Rebay. Die Gemeinde brauche die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, mahnte Sturm. Dabei müsse das Wachstum gesteuert werden, waren sich alle einig.

(Foto: SZ)

Was das Dörfliche betrifft, so sei dies angesichts der Geschosswohnungen in der Hauptstraße sowieso zumindest in Weßling vorbei, meinte Ebbinghaus, der auf Innenverdichtung setzt, "denn wir wollen nicht über unsere Grenzen hinauswachsen". "Das Dorf sind nicht die Bauernhäuser, sondern das Zusammenkommen der Menschen", auch mit Geschosswohnungen könne man Dorf bleiben, so Grünwald. Für Rebay gehörte eine "Lebendigkeit" in ein Dorf mit Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten und Lechermann bekam Bravorufe dafür, dass er "Ehrenamt, Vereine und Traditionen" mit dem Dorfbegriff verband. Zustimmung aus dem Publikum gab es für Ebbinghaus, der Veranstaltungen am Ort dadurch unterstützen möchte, dass die Gemeinde die Haftpflichtversicherung für sie übernimmt. Beim Verkehr lauteten die Ideen etwa halbstündlicher Bürgerbus (Rebay), Toiletten am Bahnhof (Sturm), Barrierefreiheit (Grünwald) und Gratis-Nahverkehr im Ort (Ebbinghaus).

Einzig beim Thema "Umwelt" gab es deutliche Unterschiede. Grünwald sprach sich dafür aus, dass Weßling den "Klimanotstand" ausrufe, dadurch müssten alle Entscheidungen der Gemeinde auf ihre Auswirkungen auf das Klima hinterfragt werden. An dem Begriff "Notstand" störten sich Lechermann und Sturm. Für den höflichen Umgang, bei dem sich die Kandidaten wiederholt gegenseitig zustimmten, gab es am Schluss Applaus.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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