Süddeutsche Zeitung

Landratswahl:Wahlparty vor dem Tablet

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Im Familien- und Freundeskreis verfolgen die Landratskandidaten ihre Ergebnisse von zu Hause aus - und lassen sich mitunter trösten

Von Carolin Fries und Manuela Warkocz, Starnberg

Im Starnberger Landratsamt sind diesmal keine Zuschauer zur Auszählung zugelassen, Wahlpartys wurden abgesagt. Nur in kleinen privaten Runden sitzen die sechs Landratskandidaten mit Anhängern vor Computern und verfolgen die Ergebnisse, die das Landratsamt nach und nach online stellt.

In Söcking hat die Grünen-Kandidatin Martina Neubauer ein halbes Dutzend Getreue um ihren Esstisch versammelt, wo sich alle auf die Leinwand konzentrieren. "Mein Ziel ist die Stichwahl, eine andere Hausnummer gibt's nicht", macht sie kurz nach 18 Uhr klar. Als sich in der nächsten Stunde über 40 Prozent für Frey und mehr als 30 Prozent für sie stabilisieren, kommentiert Neubauer trocken: "Die Tendenz ist richtig, andersrum wär's mir noch lieber." Dass sie jetzt in der Stichwahl ist, sei "ein erster Schritt zum Erfolg", zumal die anderen Kandidaten weit dahinter lägen. Die nächsten zwei Wochen werde noch einmal Wahlkampf gemacht, was in reduzierter Form möglich sei. Dass jeder Wähler für die Stichwahl automatisch Briefwahlunterlagen zugeschickt bekommt und sich damit wohl auch CSU-Wähler gut mobilisieren lassen, sieht sie für sich nicht als Nachteil: "Eine hohe Wahlbeteiligung ist immer gut."

Stefan Frey (CSU) verfolgt den Wahlabend zusammen mit seiner Frau und den drei Kindern zu Hause am Tablet. "Ein Wahlabend in Gemeinschaft ist schon ein anderes Erlebnis", sagt er, "aber immerhin habe ich meine Liebsten um mich". Mit den Parteifreunden tauscht er sich im Whats-App-Chat aus, da kriegt er immer mal wieder einen Daumen hoch. "Mit der Stichwahl habe ich gerechnet", sagt er. Seine mehr als 40 Prozent nennt er angesichts von fünf Gegenkandidaten "eine gute Sache". Für den späten Abend hat er noch ein Telefonat mit Landrat Roth (CSU) vereinbart zur Lagebesprechung.

Bei der SPD sitzt die Enttäuschung tief. Christiane Kern lässt sich am heimischen Sofa von ihrem Freund trösten, als das Ergebnis einstellig bleibt. "Zweistellig hätte ich mir schon erwartet", sagt sie am Telefon. "Aber die Linie zieht sich halt durch fast alle Wahlen." Ob die Sozialdemokraten Frey oder Neubauer in der Stichwahl unterstützen, wollen sie diesen Montag beraten.

Unverhohlene Enttäuschung auch bei Matthias Vilsmayer, der erneut für die Freien Wähler angetreten ist. "Ich habe zwar mein Ergebnis von 2014, als ich 10,9 Prozent hatte, um 1000 Stimmen verbessert, aber ich bin eigentlich angetreten, um in die Stichwahl zu kommen." Das misslang. Als Gründe sieht er die bayernweiten Megatrends mit CSU und Grünen an der Spitze. Die könne man als Wahlkämpfer vor Ort nur schwer umkehren. Er hoffe jetzt auf ein gutes Abschneiden der Freien Wähler im Kreistag. Ob sie eine Empfehlung für die Stichwahl geben, ist noch offen. "Wir haben aber noch nie Unterstützung ausgesprochen", betont Vilsmayer. Der Bürger sei mündig und entscheide selbst.

Markus Becher (AfD) sieht sein Ergebnis "olympisch - dabei sein ist alles". Man sei spät gestartet, habe aber die Chance genutzt, sich bekannt zu machen. Cédric Muth (FDP) geht mit seiner Partnerin am Sonntagabend noch in die "Post" - wenn auch nicht zum Feiern. "Thüringen war verheerend", sagt er. Ob es von den Liberalen eine Wahlempfehlung geben werde, entscheide man am Mittwoch.

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SZ vom 16.03.2020
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