Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Zur Nachahmung empfohlen

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Der Weßlinger Bürgermeister ist zwar kein Freund der Umfahrung, dennoch hat er den Bürgerwillen umgesetzt

Von Wolfgang Prochaska

Ein Bürgermeister, der sich weigert, bei einem Spatenstich zu lächeln - das ist in diesen Breiten äußerst ungewöhnlich. Noch dazu, wenn es sich um ein Straßenbauprojekt handelt, das schon Jahrzehnte in der Gemeinde diskutiert wird und das per Bürgerentscheid auch noch die endgültige Legitimation erhalten hat. Aber der Weßlinger Bürgermeister Michael Muther (Freie Wähler) ist von einem anderen Kaliber. Man könnte ihn auch eine ehrliche Haut nennen. Deshalb hat sich der Weßlinger Gemeindechef kein Lächeln abringen können, als am Montag der Spatenstich für die Weßlinger Umfahrung anstand. Da konnten die Fotografen noch so betteln, die das für Weßling historische Ereignis festhalten wollten. Muther lächelte nicht. Denn der Gemeindechef war noch nie ein Freund der neuen Straße.

Zwei Dinge hielten ihn vom Jubeln ab. Erstens: Die Umfahrung stellt für ihn einen erheblichen Eingriff in die schöne Landschaft rund um Weßling dar, auch wenn das Staatliche Bauamt stets betont, wie rücksichtsvoll und möglichst umweltverträglich man baue. Zweitens stört ihn der hohe Kostenaufwand für die Straße. Etwa 2,1 Millionen Euro muss Weßling zahlen, also 20 Prozent der gesamten Bausumme. Dafür musste die Gemeinde Darlehen aufnehmen und hat deshalb Schulden. Es ist jenes Geld, das man auch gut für eine dringend benötigte, zentrale Schule hätte verwenden können. Dafür ist vorerst kein Geld mehr da. Das schmerzt Muther, der sich den Schulbau zum Ziel seiner zweiten Amtszeit gemacht hat.

Es zeichnet den Kommunalpolitiker Muther aber aus, dass er ohne Wenn und Aber die Umfahrung umsetzt und sich nicht zu politischen Taktierereien hinreißen lässt, um den Bürgerentscheid doch noch auszuhebeln. Hier zeigt ein Bürgermeister, dass er trotz eigener Vorbehalte demokratische Mehrheiten respektiert. Zur Nachahmung empfohlen.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2015
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