Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Schwieriger Umstieg

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Die Touristen radeln gern im Fünfseenland. Dazu braucht es aber ein Angebot an Wegen und nicht allein nur Schilder

Von Otto Fritscher

Magere 16 Prozent beträgt der Anteil des Radverkehrs an der sogenannten Gesamtverkehrsleistung im Landkreis Starnberg. Dieser Anteil soll in den kommenden Jahren auf mehr als 20 Prozent wachsen, allein schon, um die angepeilte Energiewende nicht gänzlich zum Luftschloss werden zu lassen. Sonntagsreden und gute Worte werden nicht reichen, um dieses hehre Ziel zu erreichen, und auch das hochgelobte Stadtradeln im Sommer verkommt immer mehr zu einer Alibiveranstaltung von Hardcore-Radlern und Politikern, die die Gelegenheit nutzen, um sich mal schnell als Umweltfreunde zu profilieren. Kein Wunder, dass so immer höhere, astronomische Kilometerleistungen zusammenkommen, kann doch jeder Teilnehmer selbst angeben, wie viele Kilometer er innerhalb eines Monats im Sattel geschafft hat oder vorgibt, geschafft zu haben.

Im Ernst: Es gibt einfach viele Hindernisse, die den erwünschten Umstieg von vier auf zwei Räder hemmen: Zum einen die hügelige Topografie des Landkreises. Gut, wird da die Radlobby einwenden, es gibt E-Bikes, mit denen man problemlos bergauf fahren kann. Stimmt, nur gibt es bei weitem nicht eine ausreichende Zahl an öffentlich zugänglichen Ladestationen. Und dann ist da vor allem noch die Bequemlichkeit der Menschen, die man nicht unterschätzen sollte - und auch ernst nehmen muss. Denn, und auch dies muss mal gesagt werden, ist ein Autofahrer per se kein schlechterer Mensch als ein Radler oder Fußgänger.

Und dennoch, es ist richtig, wenn der Landkreis versucht, ein alltagstaugliches Radwegenetz ohne große Lücken und Gefahrenstellen zu schaffen. Eine Aufgabe, die nach Ansicht von Landrat Karl Roth aber "15 oder 20, vielleicht sogar 25 Jahre" dauern wird. Denn angesichts der astronomischen Grundstückspreise im Landkreis will kein Bauer auch nur einen Quadratmeter Wiese für einen Radweg zu den Preisen hergeben, die die öffentliche Hand bezahlen kann.

Dass der Umstieg auf vermeintlich umweltfreundlichere Fahrzeuge nicht leicht ist, zeigen auch die Busse, die bis in die Nacht hinein viele Dörfer im Landkreis verbinden - nur, dass außer dem Fahrer kein Mensch darin sitzt.

Was also tun? Die Radler vergessen, und stattdessen wieder in Straßenbau und Instandhaltung investieren? Ja, das muss sein. Aber auch Radfahrer brauchen vernünftige Verbindungen, aber ohne irrsinnige Verkehrsinseln, Verschwenkungen bei einer Straßenüberquerung und eigenen Tunnel für Radfahrer, wie es manche "Experten" völlig überzogen fordern. Sinnvoller ist es da schon, mit relativ geringem Kostenaufwand die vorhandenen Routen im Sinne von Themenradwegen zu optimieren, wie es derzeit bei der Gesellschaft für Tourismusentwicklung vorbereitet wird. Radtourismus ist in, und wer freiwillig hier radelt, darf gerne wiederkommen. Mit dem Auto, der Bahn oder auch dem Flieger.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2017
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