Kommentar:Politische Scheinheiligkeit

Zum wiederholten Mal stimmt der Kraillinger Gemeinderat gegen einen Seniorenbeirat

Von Carolin Fries

Es passt nicht zusammen. Da bezeichnet Kraillings Bürgermeisterin Christine Borst (CSU) noch auf der Bürgerversammlung vor überwiegend älterem Publikum den demografischen Wandel als eine der größten Herausforderungen für die Gemeinde und verteidigt die zwei auf Gemeindegebiet geplanten Einrichtungen für betreutes Wohnen als dringend notwendig. Und nur eine Woche später schmettert ihre Partei im Gemeinderat einen Seniorenbeirat als lästiges kommunalpolitisches Anhängsel ab. Viel schmerzlicher als die politische Scheinheiligkeit aber sind die Argumente, mit denen eine solche Interessenvertretung abgelehnt wurde. Gerade die CSU, die in ihrer eigenen Parteistruktur mit der Frauen- und Seniorenunion erfolgreich spezifische Interessensvertretungen eingeführt hat, befürchtet eine politische Disproportionalität.

Um die Wahrheit beim Namen zu nennen: Nicht der Seniorenbeirat würde in Krailling für ein gesellschaftliches Ungleichgewicht sorgen - das macht schon unaufhaltsam der demografische Wandel. Knapp ein Drittel der Kraillinger ist 60 Jahre oder älter, Prognosen sagen der Kommune bis 2030 einen Zuwachs in dieser Altersgruppe von 80 Prozent voraus. Krailling steht damit nicht alleine, weshalb an allen Ecken und Enden gebastelt wird, landkreisweit zuletzt unter anderem an einem seniorenpolitischen Gesamtkonzept. Doch alle Bemühungen sind nur halb so wertvoll und zielführend, wenn sie nicht von den Betroffenen selbst unterstützt werden. Auch in Krailling sollte es deshalb einen Seniorenbeirat geben, der die Seniorenbeauftragten in ihrem Tätigkeitsbereich ergänzt und die Mandatsträgerinnen als direkten Draht in den Gemeinderat nutzt.

Natürlich beschert das der Verwaltung Arbeit und dem Gemeinderat die ein oder andere Auseinandersetzung. Gut so! Nur so kommt es zu einer Bewusstseinsveränderung, die wiederum Voraussetzung für eine seniorengerechte Kommunalpolitik ist.

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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