Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Die Natur als Siegerin

Im Streit um Neubau oder Sanierung der Seefelder Klinik gibt es nur einen Gewinner

Von Christine Setzwein

Im Landschaftsschutzgebiet, nahe der berühmten Eichenallee, wird kein neues Krankenhaus gebaut. Die Gemeinde Seefeld behält ihre Klinik, die immerhin eine 150 Jahre alte Geschichte vorweisen kann. Die Gegner eines Neubaus können sich freuen, weil sie ihr Ziel erreicht haben. Also alles gut in Seefeld?

Nein. Die Gräben zwischen Bürgermeister und Gemeinderäten auf der einen und den aufmüpfigen Bürgern auf der anderen Seite sind noch lange nicht zugeschüttet. Gemeinderäte fühlen sich verunglimpft und diffamiert, der Bürgermeister kann den Aufstand der Bürger, den er Hysterie nennt, immer noch nicht fassen. Hätten die Beschwerdeführer doch gewartet, bis die erlösende Nachricht kam, dass eine Sanierung der Klinik am alten Standort möglich ist, sagt er. Dann hätte es kein Bürgerbegehren gebraucht, keine Ablehnung desselben und keinen Streit in der Gemeinde, der Wolfram Gum so zuwider ist. Andererseits: Wenn der Gemeinderat mit seinem Antrag an den Regionalen Planungsverband, die Frischluftschneise für die Münchner zugunsten eines Klinikneubaus zu verkleinern, ebenso gewartet hätte, bis das Ergebnis der Planer vorliegt, hätte es auch kein Bürgerbegehren gegeben. So hat der Hoppla-hopp-Antrag den Streit erst provoziert.

Im Kleinen zeigt sich, was im Großen längst Alltag ist: Das Vertrauen der Bürger in die Politik schwindet. Und viele Seefelder haben den Versprechungen von Bürgermeister Gum und Landrat Karl Roth nicht geglaubt. Beide hatten immer wieder versichert, sie würden alles tun, damit die Klinik an ihrem Standort bleibt und ein Neubau nicht nötig würde.

Die Causa Seefeld ist auch ein Beispiel für den Trend, dass sich Bürger vor allem dann engagieren, wenn sie eigene Interessen durchsetzen wollen. Gelingt das, ist die Sache für sie erledigt. Doch um nachhaltig Politik machen zu können, braucht es Menschen, die sich langfristig einsetzen. Gemeinderäte zum Beispiel, die ehrenamtlich tätig sind - und sich dafür immer öfter beschimpfen lassen müssen.

So gibt es in Seefeld keine richtigen Sieger, obwohl sich alle jetzt so fühlen. Nein, stimmt nicht. Einen gibt es doch: die Natur.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2017
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