Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Über Umwege ans Ziel

Warum Baustellen im Landkreis manchmal eine feine Sache sind

Von Eurem Nepomuk

Ja, liebe Leut', ich mach' das heuer auch. Weil ich ja immer gern neue Trends ausprobiere. Könnt' Ihr Euch noch an mein grünes Mofa erinnern? Als ich das gekauft hab', da war das super angesagt, meine Nepomuka hat sich jedenfalls sofort in mich verliebt. Aber mei, lange her. Jetzt fahre ich ja mit dem Radl, weil das jetzt auch "in" ist. Normalerweise. Aber nicht jetzt, weil jetzt mach' ich erst mal Urlaub. Urlaub daheim.

Das hatte ich mir zumindest vorgenommen. Aber was sag' ich? Ruhe finde ich keine. Wenn ich da auf der Couch in meinem Wohnzimmer am Grund des Starnberger Sees lieg', sehe ich nur strampelnde Beine von den ganzen Schwimmern, Kiele von Booten und Stand-Up-Paddelboards von unten. Schön ist das nicht! Von meinem Feriendomizil in den Untiefen des Ammersees mag ich gar nicht erst reden. Also dacht' ich, ich könnt' ja auch hoch aufs Ufer steigen und mich mal wieder im Landkreis umschauen. Eine ganz tolle Idee.

Klappt aber nicht. Ich kenn'mich nämlich nicht mehr aus. Überall Baustellen. Zum Beispiel in Tutzing. Da wird grad an der Ortsdurchfahrt gearbeitet - und das ist Pech für den, der beispielsweise von Seeshaupt kommt und im Midgardhaus ein Bier trinken will. Kaum erreicht so jemand die Gemeindegrenzen, wird er auch schon komplett um sie herumgeführt, also von Unterzeismering nach Oberzeismering auf die Staatsstraße 2066, dann rund um Tutzing rum - und wer es bis dahin geschafft hat, verfährt sich spätestens jetzt garantiert. Aber das Straßenbauamt hat mitgedacht. Das bietet nämlich schon in Seeshaupt eine Umleitung nach Tutzing an. Die führt über Weilheim. Das ist praktisch so, als würde ein Franke über den Bodensee nach Nürnberg fahren. Oder ein Münchner über Norwegen nach Italien.

Aber Umwege führen manchmal auch ans Ziel. Zumindest an irgendeines. Mich zum Beispiel nach Raisting. Da war ich schon lange nicht mehr. Ich hab' mir jetzt erst mal das hüllenlose Radom angeschaut, das ich bisher nur von Fotos kannte. So nackert ist das schon auch beeindruckend. Aber noch faszinierter war ich ja von den Störchen. Bestimmt 100 hab' ich dort beobachtet. Erst, wie sie den Bauern auf den Feldern beim Mähen hinterher sind. So viele auf einer Fläche von einem halben Fußballfeld hab' ich echt noch nie gesehen. Das war richtig schön. Und später, mitten im Ort, waren sie auch noch. Toll. Das Raistinger Zentrum ist übrigens einfach zu erreichen. Da braucht's nicht mal einen Umweg. Schon gar nicht über Tutzing, weiß jetzt

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Quelle:
SZ vom 14.08.2020
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