Süddeutsche Zeitung

Nepomuk:Bagger, was lesen wir heute?

Die Baustelle auf der Tutzinger Ortsdurchfahrt - eine nervige Ewigkeitsgeschichte. Manches Geschäft kommt inzwischen deshalb auf kreative Ideen, die lärmenden Baumaschinen für sich zu nutzen.

Von eurem Nepomuk, Tutzing

Ihr werdet es nicht glauben: Auch ich war mal Kind! Da staunt Ihr, was? Ohne anzugeben, muss ich sagen, dass ich noch dazu ein besonders wissbegieriges und liebreizendes Kind war. Zumindest hat keiner je etwas Gegenteiliges behauptet. Fotos aus der Zeit gibt es ja leider keine. Und wenn, dann wären sie eh nur schwarz-weiß. Es kommt aber ohnehin nicht auf das Äußere an. Menschen sollte man doch vielmehr nach ihren inneren Werten beurteilen. Davon hab' ich natürlich auch massenhaft. Aber das wisst Ihr ja längst. Was Ihr nicht wisst, ist, dass ich wie jedes andere Kind auch diverse Berufswünsche hegte.

Mit zweidreiviertel Jahren ungefähr wollte ich König werden. König von Starnberg. Ich hab' mir dann vorgestellt, wie ich im Schloss residiere und vom Schlossberg aus in einem Beerenstrauch sitzend mit einem Blasrohr auf alle puste, die mich geärgert haben. Aber so viele kleine Beeren hatte der Strauch dann auch wieder nicht, dass ich sie alle mit Punkten markieren konnte. Ein halbes Jahr später wollte ich dann Stararchitekt werden und die komplette Starnberger Innenstadt abreißen und neu machen. Das hätte sie ohnehin längst nötig, finde ich.

Doch dann hab' ich mich drauf besonnen, Bauarbeiter oder gleich Baggerfahrer zu werden. Ist doch ein bodenständiger Beruf. Man kann mit den Händen arbeiten und sieht, was man getan hat. Ein Loch aufgerissen zum Beispiel. Was hab' ich als Kind für wunderschöne Löcher gebuddelt? Eines größer und tiefer als das nächste. Fast so schön wie "Bob der Baumeister" oder die Glücklichen, die jetzt die Tutzinger Hauptstraße aufreißen dürfen. Sie graben und graben. Zwei Jahre dürfen sie hier schon werkeln. Eine Ewigkeitsbaustelle vom Feinsten. So eine hab' ich mir als Kind immer gewünscht.

Die meisten Geschäftsleute in Tutzing tun das offenbar nicht. Die Spielverderber. Sie haben dafür leider gar keinen Sinn. Sind entnervt vom Lärm, vom Staub und davon, dass ihre Einfahrten ewig zugestellt sind - entweder mit Erdhaufen oder gleich mit einem Bagger. Da lob' ich mir doch die Inhaber der Buchhandlung Held. Die wissen, was Kinder und Junggebliebene wollen, und nutzen das Baufahrzeug, das seit zwei Wochen vor ihrem Laden steht, einfach als Ausstellungsfläche. Echt hinreißend!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5779380
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/zif
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.