Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Das Lächeln hinter der Maske

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Der Mund-Nasen-Schutz hat durchaus seine Berechtigung, kann man dahinter doch perfekt verstecken, was man wirklich denkt

Von Eurem Nepomuk

Der Landrat lächelt. Immer. Es ist so ein feines, blaues Lächeln, mehr schon ein Schmunzeln. Selbst wenn in einer Ausschusssitzung - nur mal als Beispiel aus dem Leben eines Kommunalpolitikers - ein inhaltlich bestimmt bedeutender Redebeitrag sich durch eine zähe Mischung aus Redundanz und Teigigkeit ein bisserl zieht, und Kreisrat Bernhard Sontheim aus Feldafing in seiner Verzweiflung schon ganz schräg in seinem Sessel hängt und bald vollends zum Boden hinunterfließt: Stefan Frey lächelt einfach weiter, als wäre nichts. Aber, liebe Leut', ganz unter uns: Das geht natürlich auf Dauer nicht in echt, das hält ja kein Mundwinkel aus. Zu sehen ist eine Corona-Maske mit einer blauen Linie darauf, die wie ein Smiley aussieht.

Es gibt ja jetzt alle möglichen Motive auf den Mund-Nasen-Masken: das Schreckensgesicht von Macaulay Culkin etwa oder das Heavy-Metal-Festival-Logo passend zum Heavy-Metal-Festival-T-Shirt. Wilhelm Boneberger aus Gilching hat einen Mundschutz in Hellblau mit rosa Tupfen, Martina Neubauer von den Grünen hat etwas Blaues mit kleinen weißen Fischlein drauf, Harald Schwab von den Schwarzen zieht ausgerechnet Knallrot vor mit weißen Zacken drauf und einem großen N, so dass es aussieht, als hätte er einen Nike-Turnschuh im Gesicht.

Viele jammern ja über die Masken, aber einen Vorteil haben sie schon auch: Dahinter kann man machen, was man mag. Stefan Frey zum Beispiel könnte - jetzt mal rein theoretisch - hinter seinem blauen Smiley herzhaft gähnen, wenn es mal wieder etwas länger dauert. Und nach vorne raus würden seine dabei weit aufgerissenen Augen höchstens ausschauen, als würde er gerade besonders aufmerksam zuhören. Oder im Geheimen die Zähne fletschen wie Jack Nicholson in "Shining", als er mit der Axt ausholt. Und die freundliche Fassade bleibt: Dalai Lama ein Grantlhuber dagegen.

Doch was ist das? Unsere Kreispolitiker treffen sich ja zurzeit immer im Gilchinger Rathaus zum Beraten, weil sie da schön Platz haben zum virenfreien Atmen. Da dürfen sie natürlich auch ihre Masken mal abnehmen. Und wieder aufsetzen. Ganz wie sie mögen. Turnschuh ins Gesicht zum Kaffee holen, Turnschuh wieder runter. Blauen Smiley aufsetzen zum entspannten Zuhören, Lächeln wieder runter. Beim Landrat aber bleibt auch dann eine freundliche Zugewandtheit, als würde er mit großer Aufmerksamkeit zuhören. Immer. Verdächtig stoisch. Aber das kann ich euch verraten: Das ist keine Maske unter der Maske. Echt nicht, verrät euch

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Quelle:
SZ vom 24.10.2020
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