Kliniken:Weite Wege für Schwangere

Kliniken: Glückliche Mutter: Stefanie Zambelli hat in der Starnberger Klinik ihr Kind bekommen.

Glückliche Mutter: Stefanie Zambelli hat in der Starnberger Klinik ihr Kind bekommen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Wolfart-Klinik in Gräfelfing gibt ihre Geburtshilfe im Herbst auf, die Entbindungsstation in der Stadtklinik Bad Tölz ist bereits geschlossen: Der Andrang werdender Mütter auf die Starnberger Klinik dürfte weiter wachsen

Von Annette Jägerund Michael Berzl, Starnberg/Gräfelfing

Die Entbindungsstation in der Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz ist seit dieser Woche geschlossen, die Wolfart-Klinik in Gräfelfing gibt die Geburtshilfe bis zum Herbst auf. Nun müssen sich viele Frauen, die ein Kind erwarten, umorientieren. Der Andrang von werdenden Müttern im Starnberger Kreiskrankenhaus, das in dem Bereich schon fast an der Kapazitätsgrenze ist, wird wohl noch größer werden. Die ersten Schwangeren, die nun einen neuen Platz suchen, um ihr Baby zu bekommen, haben schon angerufen, berichtete der Starnberger SZ am Dienstag eine Hebamme. Da war die Ankündigung der bevorstehenden Schließung aus Gräfelfing gerade erst bekannt geworden.

In einem halben Jahr, Ende September, sollen in der kleinen Privatklinik in Gräfelfing keine Entbindungen mehr stattfinden, kündigt Mit-Geschäftsführer Florian Wolfart an. Damit geht eine mehr als 60 Jahre währende Tradition zu Ende. Pro Jahr kamen etwa 700 Babys in der Klinik zur Welt. Viele schwangere Frauen schätzen die intime Atmosphäre in den Räumen an der Waldstraße und die Möglichkeit, bei ihrem vertrauten Frauenarzt zu entbinden; die Geburtshilfeabteilung arbeitet ausschließlich mit Belegärzten. In der vergangenen Woche hat die Klinikleitung die Belegschaft über die bevorstehende Schließung informiert.

Mit dem Aus für die Geburtshilfe in Gräfelfing setzt sich ein Trend fort, der bundesweit zu beobachten ist. So zeichnen sich vielerorts Bestrebungen ab, die Geburtshilfe in große Zentren mit wenigstens 2000 Geburten pro Jahr zu verlegen, sagt Wolfart. Das wäre eine Größenordnung wie in Starnberg. Zudem mangele es in kleineren Krankenhäusern, die mit Beleghebammen und Belegärzten arbeiten, an Nachwuchs; der Job lohne sich kaum mehr. In Gräfelfing sei es der drohende Ärztemangel, der zur Abteilungsschließung führt, so Wolfart.

Belegärzte in der Geburtshilfe seien mit massiven Prämiensteigerungen in der Haftpflichtversicherung konfrontiert, erklärte er. Für Geburtsschäden können Ärzte haftbar gemacht werden; für neue Policen fallen daher Prämien von mindestens 40 000 Euro im Jahr an. Um diese Belastung abzudecken, müsse ein Arzt mehr als 100 Geburten im Jahr betreuen: "Das führt dazu, dass wir keinen Nachwuchs an Belegärzten mehr haben, denn das tut sich keiner an." Demnächst falle ein wichtiger Belegarzt in Gräfelfing aus, "der Trend wird sich zügig fortsetzen", befürchtet Wolfart. Dann bestünde die Gefahr, dass die Sicherheit der Patientinnen nicht mehr zu gewährleistet sei.

Derzeit beschäftige die Geburtshilfeabteilung sieben Ärzte und sieben Hebammen. Bevor die Abteilung in eine Abwärtsspirale gerate, habe man sich für die schnelle Schließung entschieden: "Wir amputieren uns in einem Teil, aber wir haben keine Zukunft mehr."

Die Belegschaft reagierte überrascht auf die Entscheidung; viele von ihnen haben nicht damit gerechnet, dass die Schließung so schnell kommen würde. Aber, so Wolfart: "Keiner wird gekündigt." Hebammen und Kinderschwestern könnten bleiben, müssten aber eine andere Tätigkeit ausführen. Wer sich jetzt in einem noch frühen Stadium der Schwangerschaft für eine Entbindung in Gräfelfing entscheide, werde dort auch versorgt, verspricht der Klinikchef.

Doch die ersten Frauen suchen bereits nach Ausweichmöglichkeiten in Starnberg. Schon bisher steigt der Andrang stetig. Mit alternativen Geburtsmethoden zieht die Klinik weit über den Landkreis hinaus Eltern an und ist heute eine der größten Geburtskliniken Bayerns. Aus ganz Deutschland, sogar aus Russland und dem arabischen Raum kommen die Frauen. Wassergeburt, Bachblütentherapie, Akupunktur oder Reflexzonenmassage für Gebärende: das Team mit acht Oberärzten um Chefarzt Professor Christoph Anthuber und die 23 Hebammen mit der Leitenden Hebamme Karin Gruber setzen alles daran, die Geburt nach den Wünschen und Bedürfnissen jeder Frau zu gestalten. Eine Herausforderung, wenn jeden Tag mindestens sieben und bisweilen sogar 19 Geburten begleitet werden. Fast 2700 Geburten waren es insgesamt im vergangenen Jahr. Mehr geht kaum. "Wir sind schon sehr gut ausgelastet", sagt Klinikgeschäftsführer Thomas Weiler.

Zugleich sucht er nach Lösungen für den Nachbarlandkreis. Auf Initiative des dortigen Landratsamtes hat er Gespräche mit seinem Wolfratshauser Kollegen Hubertus Hollmann aufgenommen. Unter anderem geht es darum, wie die Geburtshilfe nach der Schließung der Entbindungsstation in Bad Tölz durch eine enge Kooperation gesichert werden kann. Wie die Zusammenarbeit konkret aussehen kann, muss aber noch geklärt werden. "Wir sind in regelmäßigem Kontakt", sagte Weiler am Dienstag der SZ. Der Wolfratshauser Gynäkologe Manfred Stumpfe könnte sich nach Traunsteiner Vorbild einen Klinikverbund vorstellen, wie er bei einer CSU-Veranstaltung sagte.

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