Süddeutsche Zeitung

Klinik-Neubau in Seefeld:Richtige Frage, falsche Adressaten

Demokratischer als in einem Bürgerentscheid geht es nicht. Doch das Krankenhaus betrifft nicht nur die Seefelder, sondern Zehntausende im Landkreis

Kommentar von David Costanzo

Alle sind gefragt, alle können mitentscheiden und alle müssen sich daran halten: Demokratischer als in Bürgerentscheiden geht es nicht. Größer und gewichtiger auch nicht. Das letzte Wort der Wählerinnen und Wähler beseitigt alle Zweifel und beugt Politikverdrossenheit vor. Und dennoch eignet sich der Standort der neuen Klinik kaum für einen Bürgerentscheid im Ort.

Das soll schließlich kein Krankenhaus nur für die Seefelderinnen und Seefelder werden, sondern für Zehntausende im westlichen Landkreis und darüber hinaus. Die medizinische Versorgung strahlt weit über die Gemeindegrenzen. Und auch die spannende Frage dahinter betrifft die ganze Region: Dürfen Flächen überhaupt noch betoniert werden - und wenn ja, wofür? Aus gutem Grund hat Wörthsee also vor vier Wochen darüber befunden, ob ein nicht allzu großes Waldstück für einen Supermarkt gerodet wird, der Hunderten oder Tausenden Nachbarn das Einkaufen erleichtert. Deren Bäume, deren Geschäft.

Im Fall der Klinik geht die Gleichung nicht ganz auf: Das Seefelder Landschaftsschutzgebiet ginge verloren, während die ganze Region profitierte. Bürgerentscheide in einzelnen Gemeinden huldigen dem Nimby-Kult - das steht für "Not in my backyard": Großes Krankenhaus? Gern! Aber bitte nicht in meinem Garten. Befragungen können Blockadehaltungen befeuern, denn sie erlauben keine Nachfragen an die Wählerinnen und Wähler: Wenn nicht hier, wo denn dann? Das kann jede Entwicklung, schon jede Diskussion abwürgen.

Ein Bürgerentscheid allein in Seefeld könnte sich als riskantes Unterfangen erweisen, wenn sich der Standort tatsächlich als alternativlos darstellt, wie Landkreis und Starnberger Kliniken beteuern. Sollten andere Grundstücke auch in anderen Gemeinden für ein Krankenhaus in Betracht kommen, müssen diese allerdings auf den Tisch - um sie unvoreingenommen und transparent gegeneinander abwägen zu können.

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Quelle:
SZ vom 22.04.2021
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