Klassische Musik:Globale Angelegenheit

Für die Online-Version des Oratoriums "Our World is on Fire" trommelt der Pöckinger Komponist Rainer Bartesch Sänger und Instrumentalisten aus aller Welt zusammen. Die Uraufführung mit Live-Stream auch in die Kinos im Landkreis ist für den 12. Juni geplant

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Klassische Musik: Flug über verschneite Wälder: Für das Video zu Rainer Barteschs Oratorium haben Münchner Filmemacher eine Kunstfigur ersonnen.

Flug über verschneite Wälder: Für das Video zu Rainer Barteschs Oratorium haben Münchner Filmemacher eine Kunstfigur ersonnen.

(Foto: Luminous Delusion)

Irgendwie hatte Rainer Barteschs Stück von Anfang an einen Drang zum Größeren. Die Grundidee des in Maising bei Pöcking lebenden Komponisten war, mit "Our World is on Fire - An Oratory for our Future" die Fridays-for-Future-Bewegung im Kampf gegen den Klimawandel und im Ringen um eine lebenswerte Zukunft zu unterstützen. Vergangenen November hätte die Uraufführung des Werkes gekoppelt an bewegte Bilder stattfinden sollen, um anschließend eventuell auf Tour zu gehen. Doch dann kam bekanntlich alles anders.

Die Hände in den Schoss zu legen und auf bessere Zeiten zu hoffen, kam für Bartesch nicht in Frage, zumal das Projekt allmählich an Eigendynamik gewann. Das dazugehörige, per Crowdfunding finanzierte Video realisierten zwei junge Münchner Filmemacher, die sich unter dem Label "Luminous Delusion" der computergenerierten Bilderzeugung widmen. Das Besondere: Sie setzten erstmals in Europa eine spezielle Software aus den USA ein (Muséik Cinema von Ionconcertmedia). Und die macht es möglich, dass sich die Abspielgeschwindigkeit des Videos dynamisch der Musik anpasst. Inhaltlich überträgt die Animation die Aussagen des Oratoriums in eine eigene Bildsprache, "ohne eine schlichte Doppelung oder reine Bebilderung des Gesungenen", wie Bartesch sagt: "Nachdem das Oratorium als ein wechselseitiges Schildern von Erfahrungen zweier gegensätzlicher Gruppen, der Nature People und der Money People, konzipiert ist, finden sich auch im Video zwei gegensätzliche Welten wieder". Die Aussagen sind politisch und brisant, wie von Bartesch explizit gewollt und im collagierten Libretto von Danny Antonelli auch so angelegt.

Aber dabei blieb es nicht: Nachdem Konzerte und Zusammenkünfte nicht möglich sind, ersann Bartesch ein Konzept für ein Online-Event mit Protagonisten aus der ganzen Welt. Seither rekrutiert er Sänger und Instrumentalisten über alle Kontinente hinweg, um Orchester, Chor und Solisten für diese ungewöhnliche Puzzle-Aufführung zusammenzubringen. Alleine über Facebook stellte Bartesch dafür ein Netzwerk von etwa 5000 Teilnehmern auf die Beine. Wer aktiv musikalisch mitmacht, nimmt den betreffenden Part auf Video auf und schickt ihn an Bartesch. An bestimmten Stellen sollen auch Laien mitsingen dürfen, so die jüngste Idee. Auch dies weltweit, 500 Choristinnen und Choristen sollen so möglichst zusammenkommen. Der Landkreis (die Schulen sind angefragt) und die Welt sollen mit einer Stimme fürs Klima singen. Das Noten- und musikalische Begleitmaterial sowie eine Anleitung zum Erstellen des Videos in mittlerweile neun Sprachen sind bereits online verfügbar: www.our-world-is-on-fire.org.

Damit man beim Zuhören auch was zu sehen bekommt, bittet Bartesch die Teilnehmer, ihre Videos von intakter wie von Menschen belasteter Natur einzusenden. Das alles will er zu einer Multiscreen-Vision seines Oratoriums zusammenschneiden und als Botschaft in die Welt senden. Möglich wird das auch durch Fördermittel des Landkreises Starnberg.

Klassische Musik: Der Komponist Rainer Bartesch mit Alphorn.

Der Komponist Rainer Bartesch mit Alphorn.

(Foto: privat)

Die Idee kommt weltweit an, die professionelle Besetzung aus 34 Ländern von Kolumbien über die Elfenbeinküste bis Sri Lanka ist fast komplett. Den großartigen schwarzen Tenor für den Solopart, Emmanuel Henreid (genannt Onry), spürte Bartesch in Portland (USA) auf. Eine geradezu sensationelle Entdeckung gelang ihm mit einem Bass aus Ghana, der erstmals bei einem größeren Projekt singen wird. Michael Mensah verfügt über einen Stimmapparat von dunkelster Tiefe, der Mauern zu erschüttern vermag.

Mit ihm, dem Tenor Henreid und drei weiteren Sängern konnte Bartesch dem Video bereits die Chorpartien und den ersten Solopart als Demo unterlegen. Für den solistischen Knabensopran kommt vom Münchner Knabenchor David Schilde, Enkel des kürzlich gestorbenen Pianisten Klaus Schilde, dazu. Gerade zur rechten Zeit, denn es flatterte eine Anfrage von der City of Madison (USA) herein, das Oratorium als Video bei der Ausstellung "Winter is alive" zu zeigen. Kürzlich wurde es von dort aus in die Welt gestreamt.

Klassische Musik: Ein Ballett der Förderpumpen.

Ein Ballett der Förderpumpen.

(Foto: Luminous Delusion)

Selbstverständlich soll das Oratorium auch live aufgeführt werden. Sofern es die Corona-Lage erlaubt, werde die Uraufführung am 12. Juni in der Himmelfahrtskirche in München-Sendling stattfinden. Per Live-Stream in Matthias Helwigs Breitwandkinos soll auch im Landkreis die Möglichkeit bestehen, das Konzert in Echtzeit zu erleben. Wer den Termin verpasst, profitiert von einem Musikfonds-Stipendium des Pöckinger Komponisten Bartesch, mit dem eine professionelle Videoaufzeichnung erstellt werden soll. Filmemacher Ralf Luethy aus Feldafing hat bereits zugesagt. Für den Audiomitschnitt wird Sebastian Riederer vom Münchner Tonstudio Audiamus sorgen.

Nachdem sich während der Arbeiten am Projekt ein guter Kontakt zum renommierten US-Klimaaktivisten Stuart Scott und zu vielen aktiven Kämpfern für die Rettung des Klimas entwickelt hatte, hofft Bartesch, bald auch FFF-Initiatorin Greta Thunberg zu begegnen.

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