Klassik:Ruhig und behutsam

Klassik: Pointierte Einführungen, kluges Spiel: Elizabeth Hopkins beim ersten ihrer Bach-Konzerte, in denen sie auch stets Werke von Komponisten vorstellt, die sich vom Wohltemperierten Klavier beeinflussen ließen.

Pointierte Einführungen, kluges Spiel: Elizabeth Hopkins beim ersten ihrer Bach-Konzerte, in denen sie auch stets Werke von Komponisten vorstellt, die sich vom Wohltemperierten Klavier beeinflussen ließen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Elizabeth Hopkins spielt Bach: Die Gilchingerin startet ihre Serie von Konzerten mit Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier

Von Reinhard Palmer, Gilching

Im vergangenen Oktober hätte Elizabeth Hopkins ihre Version von Bachs Goldberg-Variationen als CD-Präsentation spielen sollen. Wegen Corona scheiterte der Plan. Doch die in Gilching lebende Pianistin legte ihre Hände nicht in den Schoß, sondern wieder auf die Klaviatur, um das Meisterstück erneut in Angriff zu nehmen. Das allein war als Ansatz für ihr vom Kunstforum organisiertes Konzert im Rathaus Gilching aber wohl zu puristisch. So ließ sie sich ein komplexeres Konzept einfallen, das nicht nur Bachs Präludien und Fugen alleine zum Zug kommen lässt, sondern auch Werke späterer Komponisten, für die Bach ein großes Vorbild war. Und da schöpft man bekanntlich aus dem Vollen.

Zumindest die Präludien hatte Bach als Übungsstücke für seine Söhne entworfen. Hopkins ging in ihren pointierten Einführungen auf die Eigenheiten der jeweiligen Stücke im Kontext zu ihrer Entstehung ein, was jeder Präludium-Fuge-Paarung individuelle Charakteristik verlieh. Mit wenigen Handgriffen hatte Bach es geschafft, seine einstigen Übungsstücke in Beziehung zu den nachfolgenden Fugen zu setzen. Mit einer Ausnahme unter den sieben ersten: Es-Dur BWV 852. Während das Präludium selbst schon eine Doppelfuge enthält, die in enger Beziehung zum ausschweifenden Präludieren steht, bot Hopkins anschließend die Fuge als eigenständiges, kraftvolles Stück. Rasch und spritzig, aber weiterhin spartanisch, nachdem die Pianistin das Cembalo als Ursprungsinstrument nicht aus dem Sinn verlor. Nonlegato stand daher als vorherrschende Spieltechnik im Vordergrund, einem zweimanualigen Cembalo entsprechend mit Registerdynamik. Mit der plastischen Modellierung in der Dynamik hielt sich Hopkins weitgehend zurück, ging indes den Weg der ausgeprägten Phrasierung.

Im Grunde besteht darin die Kunst des Bach-Spiels: mit reduzierten Gestaltungsmitteln die Musik für sich selbst sprechen zu lassen. Obwohl die vorgetragenen sieben Paarungen aus Teil eins des aus zwei Reihen von je 24 Präludien und Fugen bestehenden Kompendiums strenger wirken als die späteren, gelang es Hopkins, darin Lyrik, Melancholie und Sanglichkeit aufzuspüren. Alles sehr behutsam und in einem selbst an virtuosen Stellen ruhig fließenden Duktus. Wer des Notenlesens mächtig ist, konnte in einer Projektion dem Verlauf des jeweiligen Werkes folgen, erleichtert durch farblich abgesetzte Themen. Besonders spannend in der fünfstimmigen Trippelfuge Cis-Dur BMW 848, die eine Intensivierung durch immer dichtere Überlagerung der drei Themen erfuhr.

Obgleich Mozart nur auf Abschriften der Werke Bachs zurückgreifen konnte, da der barocke Gigant in Vergessenheit geraten war, erkannte er die Qualitäten des Meisters und bewunderte ihn sehr. Aber Mozart verstand es auch, das von Vorbildern Gelernte sogleich in seine eigene Musiksprache zu übersetzen. Den Bach-Sohn Johann Christian lernte er etwa achtjährig in London 1764/5 kennen, was für seine stilistische Ausprägung nachhaltig von Bedeutung sein sollte. Seine Sonate Es-Dur KV 282 entstand zehn Jahre später und weist erstaunliche Schlüssigkeit auf.

Hopkins behielt hier den Bach'schen Duktus weitgehend bei, obgleich die Sonate bereits fürs Hammerklavier vorgesehen war. Entsprechend sparsam durchmodelliert wurde deutlich, dass Mozart auf Anhieb die Vorzüge des Instruments zu nutzen verstand, ohne die eigenen Prinzipien zu verraten. Die Expression der Musik selbst sollte überzeugen. Das dürfte er von Bach gelernt haben. Schon in der Abfolge der Sätze zeigte Hopkins' Vortrag die werkimmanente Dramaturgie: Das ruhig und im Ebenmaß ausgesungene Adagio kontrastierte das Menuetto I mit markanter Spritzigkeit. Menuetto II brachte ruhige Rhythmisierung ins Spiel. Und das aufgeheiterte Schlussallegro wirbelte nicht durchgehend dem Ende zu. Moll-Eintrübungen bauten immer wieder Spannung auf, um zu einem auf geradezu Bach'sche Art rubato-inszenierten Finale zu führen. Ein spannender Kontext, der Lust auf die Fortsetzung der Konzertreihe machte.

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