Klassik:Fünf gewinnt

Lesezeit: 2 min

Aus dem Vollen geschöpft: das Münchner Holzbläserquintett beim Auftritt im Haus der Bayerischen Landwirtschaft. (Foto: Nila Thiel)

Schlüssig und fein differenziert: Das Münchner Holzbläserquintett überzeugt bei den jetzt vom Kulturverein organisierten Herrschinger Konzerten

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Das Münchner Bläserquintett musste zunächst etwas Vereinsmeierei über sich ergehen lassen, denn es galt, die Konzertbesucher über die neue organisatorische Konstellation der einstigen VHS-Konzerte zu informieren. Assistiert von seiner Stellvertreterin, Catharina Geiselhart, sprühte der Vorsitzende des Kulturvereins Herrsching, Heinz Hellerer, nicht eben vor Begeisterung über die neue Verantwortlichkeit. Genauso wenig wie die künftige Programmmacherin Martina Cabell, die kürzlich die Nachfolge von Brigitte Altenberger antrat. Es fällt daher schwer, an die Zukunft der ältesten Konzertreihe im Landkreis zu glauben. Als das Münchner Holzbläserquintett mitreißend mit Mozarts "Alla Turca" dahinwirbelte, war das Bedauern um den möglichen Niedergang umso größer. Lenkte zugleich aber auch davon ab.

Ein Holzbläserquintett mit Querflöte (Serena Aimo, Italien), Oboe (Hideki Machida, Japan), Klarinette (Hans Ernst), Fagott (Tadija Minčić, Serbien) und Horn (Michael Gredler) ist schon eine sehr sinnenfreudige Formation. Die gestalterische Möglichkeiten in musikalischer wie spieltechnischer Hinsicht bieten ein breites Feld für Charakterisierungen und das Erzeugen von Stimmungen. Dass diese Konstellation als mit Bearbeitungen konzertierende Harmoniemusik immer sehr beliebt war, hängt wohl gerade damit zusammen. Denn ein Holzbläserquintett vermag jede Übertragung aus anderen Besetzungen weitgehend verlustlos wiederzugeben.

Und das 2008 gegründete Münchner Ensemble versteht es auch, dieses Potenzial großzügig, aber auch mit viel Fingerspitzengefühl zu nutzen. Gerade bei dem im großen Saal des Hauses der Bayerischen Landwirtschaft präsentierten Programm konnte das Ensemble aus dem Vollen schöpfen. Schon alleine die frühen ungarischen Tänze aus dem 17. Jahrhundert, die der Ungar Ferenc Farkas, einflussreicher Komponist des 20. Jahrhunderts, neu instrumentiert hatte, breiten ein ganzes Universum musikalischer Reize aus. Zumal die Tänze der fünfteiligen Suite meist auch noch in sich in den Tempi und in der Charakteristik kontrastreich differenziert sind. Nach einer feierlichen "Intrada" ging es mal um Melancholie, mal um feine Heiterkeit, um geschmeidig schweifende Melodik, Ausgelassenheit oder schwungvolles Wirbeln. Auch sparsam einfließende folkloristische Derbheit im finalen Saltarello (Ugròs) tat der Wirkung gut.

Selbst die leichte Muse eines Johann Strauß mit der filigranen "Pizzicato Polka" und dem heiter-verspielten "Vergnügungszug" vermochte das Ensemble reizvoll zu gestalten, auch indem es mit Rubato Spannung erzeugte. Besonders reich changierend, ja geradezu orchestral wirkten die zwei slawischen Tänze aus op. 46 und op. 72 von Dvořák, ein "Allegretto grazioso" und ein beschwingtes Zwischenspiel sowie ein "molto Vivace" als heiteres Wirbeln mit lyrischen Moll-Rücknahmen. Die Münchner erbrachten hier den Beweis, dass die Fülle in Werken Dvořáks werkimmanent ist, sind doch die Originalversionen für Klavier zu vier Händen komponiert.

Der Rest des Konzerts galt der puren Leidenschaft und dem feurigen Temperament. Der Frühling aus Piazzollas "Cuarto estaciones Porteñas" erhielt in der Interpretation nicht nur Tangofeuer, sondern auch gewagte Pointierungen, die einen neuen Zugang zum Werk suchten und zumindest reiche Spannung brachte. Im Finale blieben die Experimente aus: Die "Carmen Suite" der Bizet-Oper, fürs Holzbläserquintett arrangiert von David Walter, gibt schon genügend Material an die Hand für ein musikalisches Fest. So populäre Werke sind immer heikel, da doch jeder noch das Original im Ohr hat und jede Neuerung meist als störend empfindet. Das Münchner Holzbläserensemble tat also gut daran, vor allem die jeweilige Atmosphäre in den Mittelpunkt zu stellen, um der szenischen Vorstellung Vorschub zu leisten.

Gerade in der breiten Stimmungsmusik "Entr'acte" kam auch die Fähigkeit des Ensembles, weite Bögen zu spannen, besonders schlüssig zur Geltung. "Les Toreadors" war dann ein würdiges Konzertfinale, dem nur noch eine kleine, orientalisierende Zugabe folgen durfte.

© SZ vom 28.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: