Klage erwogen:Gemeinsam gegen den Verkehrskollaps

Gemeinderat Inning will als Eigentümer des Gasthofs zur Post und damit als Anlieger der Ortsdurchfahrt für Tempo 30 vor Gericht ziehen

Von Astrid Becker, Inning

Kaum hat Landrat Karl Roth verkündet, 2020 nicht mehr anzutreten, teilten auch alle anderen Bürgermeister mit, ob sie wieder kandidieren oder nicht. In Inning hat derweil der Wahlkampf begonnen. Hauptthema in diesem politischen Spektakel ist wieder einmal die Ortsdurchfahrt und Tempo 30, das es allen Bemühungen zum Trotz wohl weiterhin nicht geben wird. Die Empörung darüber wurde nicht nur bei der außerordentlichen Bürgerversammlung zur Sanierung der Staatsstraße vergangene Woche deutlich, sondern am Dienstag auch im Gemeinderat.

Kaum ein anderes Thema hat die kleine Gemeinde am nördlichsten Zipfel des Landkreises in den vergangenen Jahren so sehr gespalten wie dieses. Die Anlieger klagen über Lärm, 12 000 Fahrzeuge sowie 500 schwere Lastwagen, die sich Verkehrszählungen zufolge täglich durch Inning quälen. Und sie klagen umso lauter, weil der Teil unter ihnen, der sich für den Bau einer Entlastungsstraße stark gemacht hatte, 2013 und 2016 zwei Bürgerentscheide verloren hat. Umfahrungsgegner hatten damals offenbar die überzeugenderen Argumente: Die Trasse hätte den See von der Gemeinde getrennt, zum anderen setzte man auf Tempo 30, Querungshilfen sowie Lärmschutz, was mit einer ohnehin angedachten Sanierung der Straße hätte durchgesetzt werden können. In der Zwischenzeit hat sich aber herausgestellt, dass davon kaum etwas realisiert werden kann: Die Ortsdurchfahrt - als Staatsstraße kein Hoheitsgebiet der Gemeinde - erfüllt nicht die Voraussetzungen, die für verkehrsberuhigende Einbauten und Regelungen nötig sind. Sämtliche Anträge der Gemeinde, darunter auch eine Temporeduzierung, wurden von den zuständigen Behörden abgelehnt. Daraufhin schaltete das Rathaus auf Beschluss des Gemeinderats einen Rechtsbeistand ein. Geprüft werden sollte unter anderem erneut, ob die Gemeinde nun, nach all den negativen Bescheiden, den Klageweg beschreiten könnte.

Die Antwort fiel "ernüchternd" aus, wie Bürgermeister Walter Bleimaier am Dienstag noch einmal ausführlich darstellte. Bereits zuvor in der Bürgerfragestunde hatten Anlieger im Nachgang zur Bürgerversammlung noch einmal ihren Unmut darüber geäußert und auf ihren Forderungen beharrt. Doch Aussicht auf Erfolg wird dies kaum haben: Die Ortsdurchfahrt verfügt über Bürgersteige, was gegen Temporeduzierungen spricht. Zudem gibt es dort weder Schulen noch Kinderbetreuungs- oder Senioreneinrichtungen, deren Ein- und Ausgang an dieser Straße liegen - alles Kriterien, die Tempo 30 zumindest an manchen Stellen ermöglicht hätte. Der Wunsch nach weiteren Verkehrsinseln scheiterte hauptsächlich am dafür fehlenden Platz: Anlieger wollen sich dem Vernehmen nach nicht von ihrem Grund trennen, der dazu nötig wäre. Zebrastreifen indes lehnten Polizei und Landratsamt ab, zumal sie angeblich auch keine Garantie für mehr Sicherheit geben würden. Und für Fußgängerampeln müssten mindestens 50 Menschen pro Stunde die Straße queren.

Der Klageweg, den die Gemeinde noch erwogen hatte, scheint jedenfalls aussichtslos zu sein: Laut Rechtsbeistand dürfen nur die Anlieger selbst klagen, nicht aber eine Gemeinde, sagte Bleimaier in der Sitzung. Letzte Hoffnungen ruhen nun auf dem an der Straße liegenden "Gasthof zur Post", der sich im Eigentum der Gemeinde befindet: "Wir lassen jetzt prüfen, ob wir deshalb als Anlieger auftreten dürfen", so Bleimaier. Der Bürgermeister will noch einmal mit den zuständigen Behörden sprechen - zumindest über eine Fußgängerampel in Höhe der Mühlstraße, die von allen als neuralgische Stelle angesehen wird. "Notfalls zahlen wir die einfach selbst", sagte er nach der Sitzung der SZ. Auch für den Bürgermeister, der einst eine Entlastungsstraße befürwortet hatte, dürfte der Erfolg dieser Anfrage maßgeblich sein: Er würde gern Rathauschef bleiben - und ist damit in bester Gesellschaft.

In einer für Inninger Verhältnisse ungewöhnlich langen Debatte vor ungewohnt großem Publikum mit mehr als zehn Zuhörern betonten nahezu alle Vertreter der Fraktionen, dass der Kampf um mehr Sicherheit auf der Straße für die Bürger nicht aufgegeben werden dürfe. Die Zustimmung zur Kostenübernahme für eine Bedarfsampel in Höhe von etwa 50 000 Euro dürfte Bleimaier gewiss sein - sofern die Behörden mitspielen. Eine Warnung angesichts des demonstrativ guten Willens der Räte in dieser Angelegenheit war nur von Vizebürgermeisterin Monika Schüßler-Kafka (Freie Wähler) zu hören: "Wir dürfen zwar nicht aufgeben, aber auch keine Hoffnungen wecken, die wir am Ende nicht erfüllen können."

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