Kirche in der Corona-Krise:Tausende Pilger müssen warten

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Das Kloster Andechs sagt alle Wallfahrten bis Ende August ab. Als kleinen Trost gibt es gestreamte Gottesdienste. Die Gastronomie auf dem Heiligen Berg startet wieder am 18. Mai.

Von Michael Berzl, Andechs

Wenn die Seuche sie nur verschonen möge, so gelobten gläubige Christen, als die Pest besonders schlimm in Europa wütete, dann würden sie jedes Jahr eine Wallfahrt nach Andechs unternehmen. So wurden Traditionen begründet, die Jahrhunderte überdauerten. Ausgerechnet wegen einer anderen Art von Seuche kommt es nun zu einer Zwangspause. Die von Gebeten begleiteten Bittgänge gibt es heuer zunächst nicht, bis Ende August müssten alle Wallfahrten abgesagt werden, teilt das Kloster mit. Das betrifft Tausende, die nun erst mal auf einen Ausdruck ihres tiefen Glaubens verzichten müssen.

Nach Altötting ist die Kirche in Andechs nach eigener Einschätzung der zweitgrößte Wallfahrtsort Bayerns. Bis zu 30 000 angemeldete Pilger machen sich jedes Jahr in etwa 130 Gruppen auf den Weg dorthin. "Das ist hier kein Wallfahrtsmuseum, das ist lebendige Wallfahrt", betont Klostersprecher Martin Glaab. Die Andechser Wallfahrt ist seit Beginn des 12. Jahrhunderts bezeugt und damit die älteste in ganz Bayern. Oft brechen die Gläubigen schon früh am Morgen auf, manche legen weite Strecken zurück, im Extremfall bis zu 50 Kilometer an einem Tag, ehe sie zu Gottesdienst und anschließender Brotzeit an ihrem Ziel eintreffen. Von dem Miteinander einer eingeschworenen Gemeinschaft schwärmt etwa die Tutzinger Pfarrsekretärin Anna Elisabeth, die selbst schon oft dabei war auf der Wanderung, die über Traubing und Machtlfing und an der Stephanskapelle vorbei nach Andechs führt. Seit Jahrzehnten macht sich auch eine Gruppe aus Tutzing auf den Weg; bis zu 40 Katholiken sind dabei, je nach Wetter.

In der Dunkelheit brechen sie auf, um rechtzeitig um 9.30 Uhr zur Messe am Ziel zu sein. Es muss eine besondere Stimmung sein, wenn dann die Sonne aufgeht, sobald die Gruppe an den Deixlfurter Weihern vorbei kommt. Für die Tutzinger könnte es noch klappen, denn deren Wallfahrt findet traditionell Mitte September statt. "Wir hoffen noch", sagt die Pfarrsekretärin.

Andere haben schon abgesagt. "Schweren Herzens", so heißt es etwa in einer Info des Wallfahrervereins Friedberg, müsse wegen der Corona-Pandemie die am 18. und 19. Mai geplante Andechswallfahrt sowie die Leonhardiwallfahrt am 1. Juni abgesagt werden. Mit etwa 300 Teilnehmern sei es eine der größten Gruppen, berichtet Organisator Helmut Schamberger, der dafür zuständig ist, Busse zu chartern, Schifffahrten über den Ammersee zu buchen und Übernachtungsplätze zu reservieren. Der Gang nach Andechs soll am Montag, 5. Oktober, als eintägige Wallfahrt ohne Übernachtung und mit Rückfahrt im Bus am selben Abend nachgeholt werden, um das Pestgelübde der Bürgerschaft von Friedberg aufrecht zu erhalten. Aus dem bayerischen Schwaben kommen besonders viele Pilgergruppen. Hochsaison haben die Pilger üblicherweise in der sogenannten Bittwoche um Christi Himmelfahrt, und das ist schon bald. Doch diesmal macht sich zu der Zeit wegen Corona niemand auf den Weg, die Gruppen sind schon informiert. Auch Klostersprecher Glaab hofft, dass Nachfoltermine im Oktober möglich sind.

Als kleinen Trost will das Kloster in der Bittwoche, die am Montag, 18. Mai, beginnt, jeweils von 18 Uhr an via Livestream einen Abendgottesdienst aus der Wallfahrtskirche übertragen. Am Feiertag Christi Himmelfahrt und an den darauf folgenden Sonn- und Feiertagen wird jeweils um 9 Uhr vor der Wallfahrtskirche eine Messe stattfinden, so dass die Gläubigen auf dem Plateau davor unter freiem Himmel mitfeiern können.

Öffentliche Gottesdienste in der Kirche könnten wegen der strengen Vorgaben weiterhin nicht stattfinden, teilt das Kloster mit. Ein Grund ist laut Sprecher Glaab, dass der Aufwand zu groß wäre, um etwa die vorgeschriebenen Abstandsregelungen einzuhalten.

Währenddessen beginnt nun aber schrittweise wieder der gastronomische Betrieb auf dem sogenannten Heiligen Berg, einem der beliebtesten Ausflugsziele in ganz Oberbayern. Am Montag, 18. Mai, öffnen zunächst die Außenbereiche von Bräustüberl und Klostergasthof, kündigt das Kloster an. Eine Woche darauf folgen dann die Innenräume. Die behördlichen Vorgaben für Öffnungszeiten, Hygienekonzepte, die Begrenzung der Gästezahlen und die Sicherstellung von Mindestabständen würden berücksichtigt. Wie genau das dann organisatorisch bewerkstelligt wird, müsse noch geklärt werden, sagt Sprecher Glaab.

Der Klosterladen-Kiosk vor dem Bräustüberl ist an den Wochenenden von Freitag bis Sonntag jeweils von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Stellplatz für Wohnmobile unterhalb des Klosterbergs macht wieder am Samstag, 30. Mai, auf, rechtzeitig zum Beginn der Pfingstferien. Führungen könne für die Zeit nach dem 1. Juni gebucht werden.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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