Kino:Der Weihnachtsfilm der Augsburger Puppenkiste ist ein kleines Wunder

In "Geister der Weihnacht" nach Charles Dickens' "A Christmas Carol" gibt es weder Animationen noch Spezialeffekte. Trotzdem funktioniert der Film, wie die Preview zeigt.

Von Gerhard Summer, Starnberg

Das vielleicht Erstaunlichste an diesem Film ist, dass er überhaupt funktioniert. Seine Geschichte hat immerhin 175 Jahre auf dem Buckel, die Regisseure Julian Köberer und Judith Gardner erzählen sie noch dazu mit den völlig antiquierten Mitteln des Marionettentheaters.

Es gibt ein niedliches Hündchen, aber keine atemberaubenden Animationen und Spezialeffekte à la Pixar oder Disney, und der eigentliche Held ist ein alter griesgrämiger Geizkragen, ein Mann also, mit dem sich große und kleine Kinogänger kaum identifizieren werden. Und so was soll die Zuschauer ins Lichtspielhaus locken? Oh ja, tut es. Das Starnberger Kino war am letzten Tag des Kinderfilmfestivals zu zwei Dritteln besetzt, als "Geister der Weihnacht" in einer Voraufführung lief.

Kleine Dinge können Größe entwickeln

Die Produktion ist ein Musterbeispiel dafür, dass kleine Dinge Größe entwickeln können. Eine Schlittenfahrt auf einem winzigen Schlittenberg? Ja, das kann ein Riesenvergnügen sein. Was natürlich aufs Schönste mit der Vorlage korrespondiert, die ja selbst den Minimalismus lehrt: Köberer und Gardner setzten nämlich eine der schönsten Weihnachtsgeschichten in Szene, die jemals ersonnen worden ist, Charles Dickens' "A Christmas Carol" von 1843.

Starnberg: Kino Augsburger Puppenkiste Weihnachtsfilm

Einblick ins Haus des eigenen Buchhalters: eine Szene aus "Geister der Weihnacht" mit Mr. Scrooge.

(Foto: Nila Thiel)

Die Erzählung ist zwei Dutzend Mal verfilmt worden, es gibt Hörspiel-, Bühnen- und Musicalfassungen der Moritat. Unter den modernen Adaptionen dürfte "Die Geister, die ich rief" von 1988 mit dem fabelhaften Oberfiesling Bill Murray eine der schönsten und witzigsten sein.

Zauberhafte Bilder

"Geister der Weihnacht" ist keine Konkurrenz dazu, der Film ist eher als schlichte Ergänzung zu verstehen. Die Augsburger erzählen die Geschichte in der Rückblende und leicht abgewandelt, die Läuterung des hartherzigen Ebenezer Scrooge scheint ein Kinderspiel zu sein, so schnell tritt sie ein. Und die Puppenkiste drückt mit Timi, dem Kind des armen Buchhalters Bob Cratchit, arg auf die Tränendrüse. Aber sie macht das mit zauberhaften Bildern wett.

Starnberg: Kino Augsburger Puppenkiste Weihnachtsfilm

Timi, der Sohn von Bob Cratchit, bei der Schlittenfahrt.

(Foto: Nila Thiel)

Verschneite Bäume schauen wie Skulpturen aus, der Sternenhimmel ist gepunktet, warmes Licht schimmert hinter Hausfenstern, und es treten feine Geister auf: eine fliegende Lampe, der Martina Gedeck ihre Stimme leiht, ein freundlicher Riese mit kahlem Schädel und Lorbeerkranz und ein kariertes Stoffdeckengespenst, das auf dem Londoner Friedhof nur "hm, mhm" von sich gibt.

Perspektivisch hat die Puppenkiste im Vergleich zu ihrem ersten Film deutlich zugelegt, sie achtet natürlich auf Details, etwa darauf, dass sich am Hintern Schneeflocken abzeichnen, wenn man auf dem Hosenboden einen Schlittenberg runterrutscht. Vor allem aber gelingt ihr das Kunststück, die Inszenierung genau in der Schwebe zwischen altmodischer Fantasterei und sanftem Grusel zu halten. Auch das ist fast schon ein Wunder.

Kinostart ist am ersten Adventswochenende. Der Film läuft am 1. und 2. Dezember in Starnberg und Gauting sowie am 24. Dezember nur in Starnberg.

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