Süddeutsche Zeitung

Im Blauen Haus:Vielfalt aus Feuer und Erde

Erstmals werden alle mit dem Dießener Keramikpreis ausgezeichneten Beiträge ausgestellt. Die einzigartige Schau gegenwärtiger Töpferkunst ist nur noch an diesem Wochenende geöffnet.

Von Armin Greune

Das Spektrum reicht von der eleganten Gebrauchskeramik bis zur abstrakten Skulptur. Vom formvollendeten Porzellanzylinder, dem Kap-Sung Hwang gekonnt ein ebenso schlichtes wie harmonisches, streng geometrisches Muster verliehen hat, bis zum expressiv bemalten "Hallstadt-Gefäß", das Elke Sada aus Tonplatten frei gebaut hat. "Keramik ist so vielfältig wie die Erde, daraus ist sie ja auch gemacht", sagt Wolfgang Lösche, Töpfermarktleiter und Kurator der vorerst einzigartigen Ausstellung, die nur noch bis einschließlich Sonntag geöffnet ist.

Anlässlich der 20. Auflage des Töpfermarkts am See hat er alle Arbeiten zusammengetragen, die seit 2001 mit dem Dießener Keramikpreis ausgezeichnet worden sind. 85 Werke von 33 Preisträgern und Preisträgerinnen werden nun im Blauen Haus an der Prinz-Ludwig-Straße erstmals präsentiert.

Normalerweise stehen ein paar Stücke in zwei Vitrinen im öffentlichen Bereich des Rathauses, weitere schmücken dort Büros, andere werden im Lager aufbewahrt. Es mag keine besonders große Sammlung sein, die der Markt im Laufe der 21 Jahre mit dem Ankauf der preisgekrönten Werke erworben hat - aber sie ist sicher eine der handwerklich und künstlerisch wertigsten Kollektionen gegenwärtiger Keramikkunst. Dafür sprechen mehrere Gründe: Die Jury, die über die Vergabe der Auszeichnung zum jährlichen Töpfermarkt entscheidet, setzt sich aus lauter hochrangigen Fachleuten zusammen. Weder Rathausverwaltung noch Sponsoren nehmen Einfluss auf die Wahl, was Lösche, der einer Dießener Keramikdynastie entstammt und im Hauptberuf Abteilungsleiter an der Münchner Handwerkskammer für Messen, Ausstellungen, Gestaltung und Design ist, ausdrücklich lobt.

Indirekt freilich hat der Stifter des Preises, der Brennofenhersteller Rohde, zum Niveau des Wettbewerbs erheblich beigetragen: Mit einer Dotierung, die im Laufe der Jahre auf 4000 Euro angehoben wurde, ist der Dießener Keramikpreis nicht nur fürs internationale Renommee der Teilnehmer wichtig, sondern auch finanziell durchaus lohnend.

Der diesjährige Sieger kommt aus dem Badischen

Mehr als 90 Einsendungen gab es zur diesjährigen Auflage unter dem Thema "Gefäß-Objekt-Gefäß". Preisträger 2022 ist der badische Keramiker und Bildhauer Manfred Emmenegger-Kanzler, der auch zu den Ausstellern des derzeitigen Töpfermarkts gehört. Zum Preisgeld beschert die Auszeichnung dem Künstler noch die Einnahmen beim Verkauf des Werks. Während des Marktwochenendes sind sämtliche aktuelle Wettbewerbsbeiträge im Traidt-Casten des Dießener Klosters zu sehen. Die Ausstellung ist Teil des Dießener "Keramikwegs", der vom Markt am See in die oberhalb gelegenen Ortsteile führt.

Im Blauen Haus sind hingegen alle Gewinner der Vorjahre vertreten. Auf die Frage nach seinen Lieblingsexponaten weist Kurator Lösche auf den Tisch direkt vor ihm: Mit drei, nun ja, Tafelgerätschaften aus gegossenem, weißen Porzellan hat Maria Volokhova den Wettbewerb 2013 zum Thema "Keramisches Stillleben" gewonnen. Wie bei alten niederländischen Malern streckt ein ausgeweideter Hase die Läufe in die Luft, in der Bauchhöhle hat die Künstlerin ein dunkelblaues Blumenmuster angebracht, das typisch für Gebrauchskeramik ist. Zum dreiteiligen Ensemble gehören noch eine vogelförmige Sauciere mit deutlich erkennbaren Muskelsträngen und eine flache Schüssel mit hohem Deckel, der von eiförmigen Erhebungen und Abdrücken geprägt ist.

Zur Großen Freude Lösches habe der seinerzeitige Bürgermeister Herbert Kirsch sich spontan entschlossen, nicht nur ein Stück, sondern alle drei Teile von Volokhovas Stillleben anzukaufen, erinnert sich der Kurator. Ein weiterer Favorit unter den Exponaten sind für ihn die beide 2018 zum Thema "Kontraste" prämierten Plastiken von Monika Debus, die nur vage an Gefäße erinnern. Ihre rundliche Form ähnelt von Gezeiten glatt geschliffenen Findlingen, auch die minimalistischen schwarz-weißen Zeichnungen darauf wirken wie natürlich entstanden. Debus habe die Hohlkörper aus jeweils zwei frei geformten Steinzeugschalen montiert, erläutert Lösche und deutet auf die Nähte.

Während die preisgekrönte Keramik im Blauen Haus auf Tischen präsentiert wird, hängt an den Wänden des Saals eine zweite Ausstellung. Dort werden die Beiträge zum Fotowettbewerb gezeigt, den der Markt Dießen erstmals ausgelobt hatte, als der Töpfermarkt in der Pandemie zum vierten Mal in zwei Jahren abgesagt werden musste. Die Bilder geben vor allem das Treiben am See wieder - wie etwa Hellmuth Vetters Beitrag "Am Uferweg mit Dampfer", mit dem der Tutzinger den ersten, mit 300 Euro prämierten Preis gewann. Diese Galerie mit den bunten Szenen des lebendigen Marktgeschehens passt hervorragend zu den statischen Exponaten der Töpferkunst, die mit Farben und Formen meist sparsamer umgehen.

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