Die Suche ging nun in die zweite Runde - die nach der Antwort auf die Frage: Was ist Neue Musik heute? Zurecht monierte der künstlerische Leiter des "Echolot Festival Neue Musik" und Bratscher der Münchener Philharmoniker, Gunter Pretzel, dezent, dass der Terminus Neue Musik eine Epoche bezeichnet, die bereits vor rund hundert Jahren begann und längst kaum noch etwas mit diesen Anfängen zu tun hat. Von einem stilistisch einheitlichen Bild in dem so turbulenten 20./21. Jahrhundert kann ebenso wenig die Rede sein. Wie seit jeher sei aber die Verortung nachfolgenden Generationen überlassen, zumal im komplexen globalen Kontext. Doch was auch immer weiterentwickelt werden soll: Fragen und Hinterfragen sind dazu stets die zentralen Instrumente. Beginnend im lokalen Umfeld, im stimmigen Kontext von Ort, Komponisten, Interpreten und Zuhörern - letztere übrigens im Rittersaal des Schlosses Kempfenhausen erfreulich zahlreich.
Die herausragende Eigenschaft des Echolot-Eröffnungskonzerts in Anwesenheit einiger Komponisten war die Reduktion in der Besetzung. Von der Instrumentalen Seite her drückte Pretzel dem Abend auch als Interpret den eigenen Stempel auf. Zusammen mit Charlotte Walterspiel, die als einstiges Gründungsmitglied des Pellegrini Quartetts internationales Renommee genießt, stand so ein Bratschenduo der Solosopranistin Irene Kurka gegenüber. Eine Reduktion von hoher stilistischer Transparenz. Dass selbst in diesem asketischen Umfeld dahingehend dennoch keine Eindeutigkeit zu erwarten war, liegt an den zeitgenössischen Kompositionstechniken, denen im Grunde keinerlei Grenzen gesetzt sind. Gerade beim stimmlichen Einsatz eröffnen sich jenseits festgelegter Gesangstechniken enorme Möglichkeiten, die hier jeweils auf sehr individuelle Weise eingebracht worden sind. Eine besondere Facette ergab die Kombination aus Sopran und Tisch, wobei der Tisch als Perkussionsinstrument oder Resonanzkörper für darauf bearbeitete Gegenstände diente. Johannes X. Schachtner nahm dies mit Humor und gab Kurka zur Zuspitzung seiner zwei Münchner Monodien nach Gedichten von Birgit Müller-Wieland fürs fragmentierte Staccato, als Kontrastmittel zu melodischen Motiven, zwei Maßkrüge an die Hand, die sie mit Kochlöffeln pointiert zum Klingen brachte. Zunehmend arios und schließlich mit einem Groove gesteigert, fügte Schachtner die Zutaten strukturell gut geordnet zu einem stimmigen Ganzen. Thomas Stieglers "Treibgut IV" wies auf struktureller Ebene Ähnlichkeiten dazu auf, spielte jedoch mit der Materie abstrakt und auf elementarem Niveau.
"Hey Kellner, bring mir einen Schweinebraten!" betitelte Tom Sora seinen im weiten Tonraum von Kurka souverän durchexerzierten Sprechgesang, der nahezu dadaistisch mit monotonen Klangschalentönen und Tischplattenschlägen etwas von einem eindringlichen Gebet an sich hatte und in einem fast verzweifelten Lamento kulminierte. Ein überaus ernst gedachtes "Tischgebet" stammt aus der Feder von Bernhard Weidner nach Texten von Sibylle Neuhaus. Aus kontemplativer Stille entwickelt, kam ein auch im Grunde unhörbares Tischstreicheln zum Einsatz als Ausdruck von Innigkeit und Intimität. Weidners Gebet war zutiefst emotional bis hin zur furiosen Eruption im Höhepunkt.
Die Violas kamen nicht minder vielfältig zum Einsatz. Überaus klangsinnlich mit mikrotonalen Reibungen und schwebenden Klangflächen in der Uraufführung des "Dialoghi d'amore XIV" von Nikolaus Brass, der darin auch die Intensität des Unisono (die Vereinigung in der Liebe?) anpries. Eine Qualität, die sich einzelne Stimmen in Orchesterwerken zunutze machen, wie in "Pult 3" aus dem Adagio der 10. Mahler-Sinfonie zu Blitz und Donner vorgeführt.
Gemeinsam mit Kurka beleuchtete das Duo schließlich den meditativen Aspekt. In einer Auswahl aus "Klanken Dwahlen" (Herumirrender Klang) des Niederländers Antoine Beuger gelangten sieben empfindsame Aphorismen von feinsten Färbungen zur Aufführung, bisweilen nur spurenweise verabreicht, mal mit Dissonanzen aufgeladen, mal luftig leicht, stets aber von betörender Schönheit.