Kempfenhausen:Experimente mit Ravel

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Fesselnde Vorstellung: Michael Arbenz, Thomas Lähns und Florian Arbenz (v.li.) bei der Arbeit. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Schweizer Trio Vein begeistert das Publikum des Seejazz-Festivals mit Eigenkompositionen und geschickt transformierter Musik des französischen Impressionisten

Von Reinhard Palmer, Kempfenhausen

Es ist nicht leicht zu erkennen, dass die beiden Musiker Zwillingsbrüder sind. Beim Musizieren ist ihre besondere Verbindung aber deutlich zu spüren. Pianist Michael und Schlagzeuger Florian Arbenz, die mit dem Kontrabassisten Thomas Lähns seit 2006 das Schweizer Trio Vein bilden, verstehen sich blind, was gerade bei Klassik inspirierten Stücken für die Präzision unabdingbar ist.

Die vorletzte CD der Formation, die nun das 6. Seejazz Festival im fast ausverkauften Rittersaal des Schlosses Kempfenhausen eröffnete, ist vielleicht etwas irreführend betitelt. "The chamber music effect" beinhaltet Eigenkompositionen, die nur ansatzweise als Kammermusiken durchgehen. Der erste Gedanke, der wohl in den meist recht schlank gehaltenen Intros seine Formulierung fand, war sicher kammermusikalisch gedacht. Doch der weitere Weg führte schnell von der schlanken Idee weg. Der Rhythmus trieb mit dem sonor ausgespielten Walking-Bass die Entwicklung Bebop-artig voran. Und die Dichte wie auch klangliche Substanz steigerte sich jeweils bis zu einem dramaturgischen Höhepunkt, in dem es meist mit viel Getöse gewaltig zur Sache ging. Michael Arbenz donnerte dann die Motive in großen Akkorden oder Oktaven, während Florian Arbenz den Rhythmus mit reichlich Schärfe drosch. Lähns ließ die Saiten besonders satt schwingen, was dem Klang enorme Fülle gab. In diesen fulminanten Passagen verlor man schnell den kammermusikalischen Ansatz aus den Ohren. Doch gerne ließ man sich von den Klangfluten treiben.

Das Schema war für die Musiker allerdings nur ein grober Rahmen. Auch die jeweilige Entwicklung erfolgte nie gleichförmig. So lief der Motor in "Boarding the Beat" nur zögerlich an. Phrasen setzten an, verdichteten sich, doch dann erschlaffte plötzlich der resolute Zugriff, bevor sich das Spiel nach kurzer Pause wiederholte. Bis der Motor ansprang und das Stück davonbrauste. "Sheherazade" hingegen begann zwar mit einer Phrasenfragmentierung, doch bald stimmte das Klavier ausschweifende Gesänge an und steigerte sich zu rasanten Läufen, während Schlagzeug und Bass den Groove pulsieren ließen. Aber es gab auch wunderbare Balladen, wie "Ode to the sentimental Knowledge" in klangsinnlicher Lyrik.

Das eigentliche Interesse der Veranstalter lag in der neusten CD "Vein plays Ravel". Ein Experiment der besonderen Art, ist doch die ausdrucksstarke Musik des französischen Komponisten von einer historischen Rückgewandtheit, in die man nur schwer eingreifen kann. Andererseits sind Ravels Werke stark imaginativ, voller dauernd wechselnder Farbspektren, Charaktere und Bilder. Der dichten und durchaus harten Gangart des Trios kam die ausgewählte Trauermusik "Le Tombeau de Couperin" entgegen. Die drei ausgewählten Sätze der Suite "Prélude", "Forlane" und "Toccata" sollten aber nicht im üblichen Sinne verjazzt werden. Es ging mehr um Stimmungen, Charakteristiken und Szenarien. Das bilderreiche "Prélude" begann flirrend, wechselte die Rhythmen, versank ins Sinnieren. Und der polternde Tanz "Forlane" führte in die kraftvoll vorantreibende "Toccata". Noch weiter entfernte sich ein Stück, das seinen Ursprung im dritten Satz der Ravel-Violinsonate hatte. Mit unbestimmten Wirbeln begann es, verlosch bald, um sich zu einem donnernden Höhepunkt mit komplexer Chromatik wieder aufzurichten.

Empfindsam ging das Trio an das berühmte Trauerstück "Pavane pour une Infante défunte" heran. Anders als im "Five o'clock Foxtrot" aus "L'Enfant et les Sortilèges", wo das Schlagzeug mit Energie vorantrieb, doch das Klavier sich immer wieder des lässig entspannten Originals besann, um schließlich mit bluesigem Donner Ravels Finale zu übersteigern. Eine fesselnde Vorstellung. Ovationen und zwei Zugaben.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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