Kempfenhausen:Ein Schloss für alle

Nach der aufwendigen Sanierung des Kempfenhausener Anwesens können Privatleute und Vereine einzelne Räume oder das ganze Haus für Familienfeste, Tagungen oder Konzerte mieten. Ein Rundgang

Von Ute Pröttel, Kempfenhausen

Der Sprungtest im Rittersaal endete erschütternd. Das gesamte Gebäude geriet in Schwingung, als Leute in den vier Ecken des historischen Saals in die Höhe sprangen. Veranstaltungen mit mehr als 60 Personen waren deshalb nicht möglich. Als das letzte Mal der weihnachtliche Basar der Freunde der MS Klinik stattfand, ließ der verantwortliche Verwalter die Räume darunter mit Stahlstützen absichern. Das alles ist Vergangenheit, jüngste Vergangenheit des Schlosses Kempfenhausen. Für knapp vier Millionen Euro ließ die Stadt München das Anwesen in den Jahren 2010 bis 2012 sanieren und läutete damit einen neuen Lebensabschnitt für das ehemalige Hofmarkschloss ein. Nun luden die evangelische Kirchengemeinde und der Kulturverein Berg zur Führung durch das Anwesen und die Schlosskapelle St. Anna.

Der bayerische Autor Lorenz von Westenrieder hatte 1784 das Schloss Kempfenhausen als das lebendigste Schloss am Starenberger See beschrieben. Rauschende Feste und Jagden wurden hier gefeiert. Es ist die Zeit des ausgehenden Rokoko, der damalige Hausherr Hofkammerrat Johann Baptist von Pirchinger lässt die Schlosskapelle im Stil der Zeit umgestalten. Die Arbeiten übernimmt kein Geringerer als der kurfürstliche Hofmaler und Freskant Christian Wink (1738 bis 1797). Von ihm stammen ebenfalls drei Fresken in der Starnberger Pfarrkirche St. Josef sowie "Die Vertreibung aus dem Tempel" in der Münchner Asamkirche.

Kempfenhausen  Schloss

Das von außen eher schlicht wirkende Schloss war knapp drei Jahre lang aufwendig saniert worden.

(Foto: Georgine Treybal)

Die kleine Kapelle St. Anna unterteilt sich in ein Kirchenschiff und einen halbrunden Chor im Osten. Der Glockenturm mit dem Satteldach stammt aus dem Jahr 1691. Das schlichte Äußere steht in spannungsvollem Kontrast zum reich verzierten Innenraum. Der ist bis heute ein Paradebeispiel für eigenständiges bayerisches Rokoko. Das Kirchenschiff wird dominiert von Winks Deckenfresko "Taufe Jesu". Das flache Tonnengewölbe ruht auf angedeuteten Pilastern aus Stuck. Durch die vergitterten Fenster strömt ausreichend Licht in das Innere, so dass die Helligkeit und Transparenz der Deckenfresken auch ohne künstliche Beleuchtung augenscheinlich wird. Im Chor malt Wink die von Licht durchflutete Gottesfigur in der Glorie. Zu beiden Seiten des Hochaltars spiegeln zwei künstliche Fenster den Raum wider. Im Zentrum des aufwendig gearbeiteten Hochaltars die Patronin der Kirche "Anna Selbdritt" mit dem Jesuskind auf dem Schoß und begleitet von der Jungfrau Maria. Darunter das kostbare Tabernakel und ein Glasschrein. Auch die beiden Seitenaltäre sind im reich verzierten Stil des Rokoko gehalten.

Wink selber hat sich zweimal in der Kapelle verewigt: Am linken Bildrand der Taufszenerie am Jordan prangt seine Künstlersignatur "Christianus Wink, Aulae Boicae Pictor ... 1774", Christian Wink, Bayerischer Hofmaler ... 1774. An der rückwärtigen Decke zu beiden Seiten der Orgel fallen zwei gemalte Fenster auf. Das eine ist vergittert, aus dem rechten blickt ein Mann, höchstwahrscheinlich der Künstler -- auch dies eine Spielart des Rokoko.

Die kleine Kapelle wurde in den Jahren 1987 bis 1991 umsichtig restauriert und ist jeden zweiten Donnerstag im Monat um 18.30 Uhr zur Messe geöffnet. Zur Besichtigung ist ein Termin mit der Mesnerin zu vereinbaren.

Schloßkapelle St. Anna

Bayerischer Rokoko: die einst von dem kurfürstlichen Hofmaler Christian Wink umgestaltete Schlosskapelle.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das eigentliche Schloss ist ein stattlicher Bau mit Holzschindelverkleidung und steilem Walmdach. Seit der Wiedereröffnung im Jahr 2012 betritt man das Gebäude durch ein neues Treppenhaus an der Südwestseite. Hier sind auch ein Lift sowie behindertengerechte Toiletten untergebracht. Bei der Sanierung wurde auf einen schwellenfreien Zugang zum Rittersaal im dritten Stock geachtet.

Das Schloss hat seit seiner Erbauung 1520 viele Besitzer gesehen. Darunter den Kurfürst Ferdinand Maria, Herzog Max in Bayern und Otto Graf von Bylandt. Sie alle bauten um oder an und gestalteten das ehemalige Hofmarkschloss immer wieder neu. Doch wie kommt es, dass heute das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt der Hausherrr von Schloss Kempfenhausen ist? Das hat höchstwahrscheinlich mit dem Besitzerwechsel im Jahr 1938 zu tun. Damals ging das Areal an die Reichsärztekammer. Während des Krieges befand sich auf dem Gelände ein Lazarett. Mit dem Untergang der Nazis fielen deren Liegenschaften an den Staat. Nach dem Krieg betrieb die Landeshauptstadt München im Auftrag des Bundes eine Lungenfachklinik in Kempfenhausen. Das Schloss diente als Wohnraum für die Angestellten des Krankenhauses. 1970 ging das Areal in den Besitz der Stadt München über. Seit den Neunzigerjahren wurde der Rittersaal für Lesungen und Konzerte genutzt, doch erst im Jahr 2007 verstarb der letzte Bewohner von Schloss Kempfenhausen.

Nach der Rundumsanierung bis unters Dach steht das schmucke Gebäude für Veranstaltungen jeder Art von Hochzeiten und Familienfesten über Tagungen bis zu kulturellen Events zur Verfügung. Es können einzelne Räume oder das ganze Schloss samt Außenanlagen angemietet werden. Die Kunsträume am See und der Kulturverein Berg nutzen das Angebot bereits. Kürzlich fand eine Tagung der Grünen/Bündnis 90 statt. Das Schloss soll wieder so werden, wie es Westenrieder beschreibt: lebendig und voll mit Menschen.

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