Kandidat für den Tassilo 2018:Ein Wort, ein Ort

Dirk Heißerer ist der gute Geist des Villino; Dirk Heißerer ist:

Der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer pflegt das Andenken an den Schriftsteller.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dirk Heißerer hat es sich zur Aufgabe gemacht, Thomas Manns Geschichte in Feldafing erlebbar zu machen. Inzwischen finden im denkmalgeschützten Villino regelmäßig öffentliche Führungen statt.

Von Sabine Bader, Feldafing

Ohne Zweifel, Dirk Heißerer liebt das Wort - egal, ob es gedruckt ist oder gesprochen. Heißerer kann mitreißend erzählen: Mal schlägt er beim Reden hastig nach in einem Werk des jeweiligen Autors, gestikuliert. Mitunter springt er beim Erzählen auch vor Begeisterung von seinem Stuhl auf. Besonders, wenn der Autor, über den er gerade spricht, Thomas Mann heißt.

Wenn Heißerer im Villino in Feldafing ist, dann könnte man gar glauben, er sei nach Hause gekommen - nicht in Manns "Mausloch", wie der einst schrieb, sondern auch in sein persönliches Zuhause. Kein Wunder: Heißerer hat das Villino entdeckt. Die Initialzündung gaben ihm Thomas Manns Tagebücher. Darin schreibt der Autor häufig über Feldafing und über seine Aufenthalte im Haus seines Freundes, des Kunsthistorikers und Verlegers Georg Martin Richter. In der Abgeschiedenheit am Westufer des Starnberger Sees findet Thomas Mann Zeit und Muße, die Arbeit am "Zauberberg", wieder aufzunehmen - seinem Roman, der den Krieg über liegen geblieben war.

Dirk Heißerer ist der gute Geist des Villino; Dirk Heißerer ist:

Im Villino arbeitete Thomas Mann an seinem "Zauberberg".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Ich bin immer auf Nebenwegen unterwegs", sagt Heißerer über sich. Und damit hat der Literaturwissenschaftler, dessen Schiebermütze längst zu seinem Markenzeichen geworden ist, zweifellos recht. Anders als viele seiner Kollegen, die im stillen Kämmerchen forschen, spaziert er bei der Arbeit durch die Landschaft - auch gemeinsam mit seinen Gästen. "Wort und Ort" lautet seine Devise. Seit genau 30 Jahren bietet er literarische Spaziergänge durch den Landkreis sowie Exkursionen an. Darunter sind eine Rundfahrt auf dem Starnberger See, die "andere Wallfahrt" am Ammersee und eine Wanderung in der Heimat des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf. Zweifellos: Heißerer ist ständig auf Achse.

Literaturdienst - Thomas Mann

Thomas Manns "Zauberberg" war den Krieg über liegen geblieben - am Westufer des Starnberger Sees findet er Zeit und Muße, den Roman wieder aufzunehmen.

(Foto: dpa)

Und weil er so umtriebig ist, lässt ihm in den frühen 1990er Jahren auch die Sache mit dem "Villino" aus Manns Tagebuch keine Ruhe mehr. Ist es wirklich verschwunden oder gibt es das Haus doch noch? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, nimmt Heißerer 1993 als Erstes Kontakt mit dem örtlichen Kunst- und Museumsverein auf. Dort zeigt man ihm ein paar Bäume und erklärt, da habe das Villino einst gestanden. "Völlig falsch", weiß Heißerer schnell. Denn er durchstöbert die Feldafing-Chronik des Oberlehrers Ferdinand Kistler, die sogenannte Kistler-Chronik, in der alle Häuser des Ortes mit ihren Erbauern und Besitzern verzeichnet sind. Darin stößt er auf den Besitzernamen Georg Martin Richter. Im Staatsarchiv München besorgt sich Heißerer daraufhin Kataster- und Baupläne. Jetzt weiß er, wo genau das Haus stand und wie es ausgesehen hat, noch ehe er selbst einen Blick darauf werfen konnte. Denn es liegt auf dem Gelände der Fernmeldeschule Feldafing. Ein Schlagbaum versperrte Besuchern den Weg. Sperrgebiet. Heißerer beschreibt es so: "Es war, als ob ein Forscher im Innersten Ägyptens eine bislang unentdeckte Pyramide findet." Am 4. August 1994 öffnet sich für ihn erstmals der militärische Schlagbaum. Heißerer, der Spurensucher, steht endlich vor seinem Villino. Mittlerweile gehört der Grund, auf dem das Haus steht, nicht mehr der Bundeswehr, sondern den Benedictus-Krankenhäusern in Feldafing und Tutzing, die dort gerade eine neue Klinik errichten.

Das mittlerweile denkmalgeschützte Villino kann übrigens jeden dritten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung besichtigt werden. Auch daran zeigt sich, dass der 1957 in Koblenz geborene und in München lebende Heißerer längst zum Inventar des Fünfseenlands gehört.

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