Süddeutsche Zeitung

Kammermusik:Reiz der leisen Töne

Das Duo Tanja Tetzlaff und Dina Ugorskaja setzt bei Werken von Prokofjew, Beethoven und Chopin auf feinsinniges und zurückhaltendes Spiel, das trotzdem Entwicklung und Höhepunkte bietet

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Programm versprach Brillanz, Virtuosität, Bravour, Schwung und Schmiss. Doch alles kam ganz anders. Im ausverkauften Gautinger Bosco war absolute Stille und höchste Aufmerksamkeit im Publikum das Gebot der Stunde, denn Tanja Tetzlaff am Violoncello und vor allem Dina Ugorskaja am Flügel setzten ganz auf leise Töne.

Die Dramaturgie des Abends implizierte zwar den großen Bogen samt Steigerung und Höhepunkt. Doch die beiden für ihre Feinsinnigkeit hochgeschätzten Musikerinnen hielten sich ungewöhnlich zurück, zogen die Entwicklung mit minimalistischen Schritten in die Länge, was die durchmessene Spanne zwischen den Ausprägungen extrem verschmälerte. Es war ein Spiel mit der Relativität der Wahrnehmung. Die ausdrucksrelevanten Wirkungen fehlten zwar keinesfalls, waren aber auf sehr begrenztem Raum inszeniert.

Prokofjews Sonate C-Dur op. 119, der vorgezogene Höhepunkt im Programm, verführt Interpreten nicht selten dazu, mit satter Substanz, im Moderato auch mit grotesker Scharfzüngigkeit aus dem Vollen zu schöpfen. Nachdem die beiden Musikerinnen den Weg dahin aber zierlich und mit leiser, feinziselierter Klarheit begingen, wirkte die Prokofjew-Sonate schon mit verhaltenem Mezzoforte wie eine vulkanische Eruption. Das dramaturgische Konzept ging auf - und erlaubte Tetzlaff und Ugorskaja, auch in den lauteren Passagen die edel klingenden Register zu nutzen.

Sicher waren die Zuhörer mit anderen Erwartungen an Beethovens Werke ins Konzert gekommen. Es dauerte denn auch eine Weile, bis man sich an die überraschend weit zurückgenommenen Relationen gewöhnt hatte. Gerade in den beiden Variationszyklen über Themen aus Mozarts "Zauberflöte" - das Duett "Bei Männern, welche Liebe fühlen" und die Arie "Ein Mädchen oder Weibchen" - ging es dadurch nun eben nicht um den bravourösen Schmiss in improvisatorischer Diktion und reißerischer Rhetorik, sondern um eine Reihe von glockenrein, klar und transparent klingenden Charakterstücken.

Die Sonate C-Dur op. 102/1 zwischen den beiden monothematischen Blöcken zeigte sich dadurch mehr als sonst als fesselnd erzählende Fantasie, in der die beiden Musikerinnen nun eine weite Palette spieltechnischer Finessen auskosten konnten. Insbesondere die romantische Neigung des Werkes profitierte von der reichen Nuancierung des Duos.

Für das große Finale sah das Programm "Introduction et Polonaise brillante" C-Dur op. 3 von Chopin vor. "Es ist ausschließlich Blendwerk, für den Salon, für die Damen", hatte Chopin einem Freund verraten. Doch die Damen auf der Bühne sahen es anders und filterten das Blendwerk heraus. Was blieb, war ein stolzer Tanz von nahezu magischem Reiz, für den sonst im Grunde nur Chopins Nocturnes taugen. Das Publikum war begeistert und bekam noch eine betörende Zugabe aus Chopins Cellosonate zu hören.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4397348
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.04.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.