Süddeutsche Zeitung

Kabarett:Zwischen Kalauer und verbaler Entgleisung

Matthias Matuschik präsentiert sein neues Programm in Herrsching und mutet dem Publikum nicht nur seine Vorliebe fürs Fäkale zu, sondern langweilt es auch - dabei meint er es ja gut

Von Katja Sebald, Herrsching

Ein Feldzug wider die braunen Massen? Oder geht es doch nur wieder um eine neue Variation jener widerlichen braune Masse? Es ist ein "Balanceakt", wie Matthias Matuschik selbst sagt. Bei seinem Auftritt am Freitagabend auf Einladung des Kulturvereins "Räsonanz" im Seehof Herrsching ist es ein Balanceakt zwischen politischem Kabarett und Publikumsbeschimpfung, zwischen Kalauer und verbaler Entgleisung - und ein wenig zu oft landet Matuschik dabei beim "Bierschiss, der das Porzellan aufweicht", beim "Durchfall, wo man selbst erstaunt ist, in welche Ecke der Kloschüssel man hinkacken kann", beim "ICE, in dem alle nicht-gendergerecht in eine Schüssel kacken" oder einfach nur beim "Kackbeutel mit den Initialen des Hundes".

Damit wäre eigentlich schon fast alles gesagt über diesen Abend, bei dem manchmal im Nebenraum lauter gelacht wurde als im Saal. "War der Applaus schon, wenn der Künstler die Bühne betritt?", fragt Matuschik gleich zu Beginn. Und tatsächlich: Auch bei seinem Arier-Rap zu Musik vom Band will keine Stimmung aufkommen. "Ich bin BR-Moderator." Das klingt wie eine Erklärung. "Ich bin Kabarettist, Satiriker, Comedian." Eine Entschuldigung? "Hey, ich bin Euer Nachbar vom Wörthsee", sagt er schließlich fast flehentlich. "Ihr werdet noch in drei Wochen lachen!" Ein Versprechen? "Wollte da gerade jemand klatschen? Tut's Euch keinen Zwang an. Für mich wär's gut, für meine Erektion und so." Nach der Pause sind einige Zuschauer gegangen. Das hat auch Matutschik bemerkt: "Ich sag immer, der Saal ist gereinigt." Als Knaller für die zweite Hälfte des Abends hat er einen "Lidl-Löffel" mitgebracht, mit dem man, dank einer kleinen Erhebung in der Mitte, "zwanzig Prozent weniger Zucker in den Kaffee" schüttet. Matuschik macht an dieser Erfindung den nahenden Weltuntergang wegen Verblödung der Menschheit fest. Und zumindest dafür bekommt er Applaus und dann im weiteren Verlauf des Abends noch den einen oder anderen Lacher.

Zugute halten muss man ihm definitiv, dass er es ja gut meint. So wie er es wohl auch mit seiner Kandidatur bei der Landtagswahl in Bayern 2018 als Kandidat der Kleinpartei "mut" gut meinte. Seine Erfahrungen im Wahlkampf ziehen sich wie ein roter Faden - oder sollte man besser sagen: brauner Faden? - durch sein aktuelles Programm "Gerne wider". Streckenweise wirkt auch dieser Abend wie eine Wahlkampfveranstaltung. Als Ministerpräsident würde er das Kiffen legalisieren: "Bekifft kann sogar Autofahren Spaß machen, rote Ampeln erlebst Du da ganz anders!" Vermutlich würde er auch das Rauchverbot in Gaststätten rückgängig machen oder zumindest der Katze von Sebastian Frankenberger, dem Initiator des Rauchverbots in Gaststätten, "ein paar Löcher ins Fell brennen". Und ja, er würde die Kackbeutel für Hunde abschaffen, nicht nur die mit den Initialen des Hundes: "Ist doch alles Natur, das spült der nächste Regen weg." Und wenn Kinder Hundekacke essen, dann braucht man sie wenigstens nicht mehr impfen. Das Volksbegehren zur Rettung der Bienen? "Du hast bestimmt auch unterschrieben, das seh' ich schon an Deinem Brillengestell", sagt er zu einer Dame in der ersten Reihe.

Matuschik will auf gesellschaftliche Verwerfungen aufmerksam machen. Dass er selbst die Grenzen des Anstands verletzt, wenn er AfD-Wähler wegen ihres Äußeren und nicht wegen ihrer Äußerungen diffamiert, wenn er Bahnmitarbeiter aus den neuen Bundesländern wegen ihrer schlechten Englischkenntnisse ( "sänkjufortrefellingwissedeutschebahn") und nicht die Bahn selbst wegen ihrer wirklich unterirdischen Misswirtschaft an den Pranger stellt - das alles merkt er offenbar nicht. Und es ist nicht nur Matuschiks Vorliebe fürs Fäkale, sondern auch sein völliger Mangel an Selbstironie, der diesen Abend so geschmacklos und langweilig macht.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2019
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