Kabarett in Gilching:Mit dem Mut der Mimose

Gilching: Monis Brettl: Kabarettist Christian Springer

Der tut was: Christian Springer.

(Foto: Nila Thiel)

"Alle machen, keiner tut was": Christian Springers Auftritt in Monis Brettl in Gilching

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gilching

Es gibt Kabarettisten, die fangen erst mal mit einem Knaller an. Christian Springer geht anders vor, er stellt Fragen, kritische Fragen. Die Zuschauer können sich nicht einfach einen netten Abend machen. Sie werden gefordert. Mit seinem sechsten Soloprogramm "Alle machen, keiner tut was" will der Münchner aufrütteln. "Wo sind unsere Werte hin?", fragt er bei seinem Auftritt im ausverkauften Saal von Monis Brettl im Oberen Wirt in Gilching. Und er appelliert ans Publikum, die Werte zu verteidigen, so lange es noch möglich ist. Zwar hätten die Deutschen nicht das Zeug zum Helden. Aber wenigstens den Mut einer Mimose würde er sich wünschen.

Springer ist ein treuer Gast in Monis Brettl. Schon zum elften Mal konnte Monika Rother den früheren langjährigen Nockherberg-Darsteller und -Autor verpflichten, der sich als Grantler und Wiesn-Kritiker "Fonsi" einen Namen gemacht hat und zusammen mit Michi Altinger den BR-Schlachthof weiterführt. Höchst selten zeigt er bei seinen Auftritten ein gewinnendes Lächeln. Springer ist ein Grübler und Zweifler, einer, der den Finger in die Wunde legt und gern noch ein wenig zudrückt. Geschichten hat er viele zu erzählen, irrwitzige Überhöhungen sind seine Spezialität. Scheinbar harmlos redet er über den niedrigsten Stand der Kriminalitätsrate seit 25 Jahren, um unversehens die surreale Idee zu entwickeln, dass man bei der Polizei nach dem Vorbild von Tchibo eine Produkterweiterung einführen soll, beispielsweise durch den Vertrieb von Fair-Trade-Waffen aus Nicaragua. Und weil die Schwammerl-Experten ("das sind handfeste Leute") nur eine Saisonarbeit haben, könnte man sie umschulen zu Islamisten-Beratern.

Springer wechselt blitzschnell die Themen. Vom in der Bayerischen Verfassung festgeschriebenen Recht auf eine angemessene Wohnung geht er über zu Söders Kreuz-Erlass und spannt einen Bogen zum Besuch von Gesundheitsminister Jens Spahn bei einer Hartz-IV-Empfängerin. Er rechnet schonungslos ab mit der Bundespolitik und liefert dabei messerscharfe Fakten. Wie er mit vor Ironie triefender Stimme vorrechnet, gibt Deutschland pro Tag und Bundesbürger ganze 4,30 Euro für die Bildung aus und steht damit an 23. Stelle in Europa - von 28 Ländern.

Es gebe viele Werte in Deutschland, sagt er. Der wichtigste Wert sei der Blutdruck - der entscheide über Leben und Tod. An zweiter Stelle stehe der Cholesterinwert, aber es dauere sehr lange, bis man zum Wert der Moral komme. Die Hells Angels dürften in aller Öffentlichkeit ihr 70-jähriges Bestehen feiern. Und man lasse es sich gefallen, dass der Dresdner Knabenchor das Lied "Die Gedanken sind frei" bei Auftritten in China nicht singen dürfe. "Nichts passiert, keine Proteste, nichts", empört er sich. Bei einem Handelsvolumen mit China in Höhe von 140 Milliarden Euro sei klar, wo die Werte in Deutschland liegen.

Am Ende landet Springer bei seinem Lieblingsthema, der Flüchtlingspolitik. Ohne Migration gäbe es die Bayern nicht, denn schon die Bajuwaren seien eingewandert. Und die Bogenschützen der römischen Soldaten seien Syrer gewesen. Es könnte also durchaus möglich sein, dass in den Adern eines Trachtenvereinsvorsitzenden syrisches Blut fließe. Daher solle man nett zu den Flüchtlingen sein, es könnte sich schließlich um Verwandte handeln.

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