Kabarett:Ein Retter namens Milchbranndtweinstätter

Schondorf: Studio Rose - Miene Gruber präsentiert das Demotivationstraining

Mario Milchbranndtweinstätter nimmt das Leben mit Humor und rät schwer vom Contest ab.

(Foto: Nila Thiel)

Der Künstler Martin Gruber gibt sein so schräges wie witziges "Demotivationstraining" im Studio Rose in Schondorf

Von Valerie Künzl, Schondorf

Der Mensch lebt in turbulenten Zeiten, in einer selbstoptimierten Ego-Gesellschaft, immer mit dem Drang: höher, weiter, schneller. Ganz ehrlich: Braucht's des? Und: Müssen alle so sein? Nein, sagte Martin Gruber, kurz Miene genannt. Er hat sich das schöne Pseudonym Mario Milchbranndtweinstätter zugelegt und angeblich ein Buch mit einem fast noch lustigeren Titel geschrieben: "In 7 Tagen vom Manager zum Sandler". Denn dieser Mann, der aussieht wie eine Mischung aus Büttenredner und Esoterikguru, will niemanden anregen oder motivieren. Sein so schräger wie witziger Abgesang auf die völlig übercoachte und yogagestählte Leistungsgesellschaft im Atelier Rose in Schondorf, wo derzeit Yorck Dertingers 99 Fotoporträts von Schondorfern an den Wänden hängen, heißt "Demotivationstraining".

Das Ganze beginnt mit alternativer Bestuhlung: Die etwa 60 Gäste müssen sich erst mal selber Stühle aus der Garage holen. Was das gemütliche Biersippen natürlich empfindlich unterbricht. Die "Braucht's des?"-Frage ist groß auf ein Plakat geschrieben. Wenn es nach Milchbranndtweinstätter geht, soll sie einen in jeder Lebenssituation retten. Er steht alleine auf der Bühne. Er selbst hat drei Coaches, sagt er, also nur für sein aberwitziges Styling: Ringelsocken in Flipflops, bunte Leggings, Karohemd, lila Krawatte, grüner, eher lasziv geschlungener Hosengurt. Diese Karikatur eines Selbstfindungs-Therapeuten nimmt sich selbst nicht ernst. Eine Erkenntnis, die sich schnell auch aufs Publikum überträgt, das schon nach dem ersten Gag laut lacht.

Die Zuhörer tauchen ein in den "deep shit", wie es Milchbranndtweinstätter nennt. Auf ein Plakat schreibt er in Blau "Contest". Der Wettbewerb stehe nicht nur in der Mitte des Papiers, sondern auch im Zentrum unserer Gesellschaft. "Der macht uns zu Egomonstern!" Doch das ist nicht alles: Der Contest mache alle auch misstrauisch und einsam. Diese beiden Wörter schreibt er in Rot ebenfalls auf das Papier. Dann fragt er in die Runde: "Braucht's des?" "Nein", antwortet das Publikum, zunächst noch etwas vage.

Der ständige Begleiter beim Contest, das ist übrigens die Angst, Fehler zu machen. Doch Milchbranndtweinstätter hat Trost parat: "Der Fehler ist unser Freund! Ohne Fehler wäre der Mensch ein Roboter." Sein Grinsen geht bis zu den Ohren hinauf, seine Augen strahlen. "Wir wollen doch groß und stark werden, dafür braucht's Fehler."

Der Kabarettist hat viele Ratschläge für ein Leben ohne Hektik und blinden Aktionismus parat. Zwei davon heißen: "Lass, was du nicht kannst!" und "Tu nicht, was du lassen kannst." Es ist ja so: "Wir können es machen, aber wir können es auch nicht machen", betont er ganz ernst. Und für alle, die sich nicht mehr überanstrengen wollen, hat er sein Vom-Manager-zum-Sandler-Buch geschrieben. Kurzgefasst: Der Mensch soll die Gegenwart mehr lieben als die Zukunft, denn die bleibe ohnehin ungewiss. Allerdings gilt auch: "Es gibt immer wieder Rückschläge."

Was dabei helfen könnte? Yoga! Entspannte Gitarrenmusik kommt aus dem Lautsprecher, und Mario Milchbranndtweinstätter fängt an, sich auf der Bühne zu verrenken. Dabei macht er sich über die verschiedenen Tierfiguren im Yoga lustig: der schlafende Hund, das abgestürzte Faultier, die überfahrene Katze und das ruhende Kaninchen. "Mit diesen Tools kommt ihr durch jeden Scheiß, der euch im Weg steht."

Zum Schluss greift der Trainer zur Gitarre: Er animiert das Publikum zum Mitsingen und Schnipsen, das darf natürlich auch unrhythmisch sein, denn Fehler sind unser Freund. Das Publikum, zunächst noch etwas schüchtern, dann eifrig dabei, singt mit: "Mein ganzer Körper steht still, wenn mein Geist es so will. Ungeahntes Potenzial, ist mir auf einmal egal. Ich brauche es nicht schaffen, ich muss es nicht schaffen, ich will es nicht schaffen." So geht das eine Weile, bis sich mutmaßlich jeder vom "Scheiß" befreit hat.

Braucht es also dieses Demotivationstraining mit dem Retter Milchbranndtweinstätter? Unbedingt. Auch auf die Gefahr hin, dass sich der Mann zu sehr verausgabt.

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