Die Rolle, die im Fußball oft Wimbledon zugeordnet wird, hat im Bobfahren St. Moritz inne: Dort wurde die Sportart erfunden und dort wird jeden Winter die letzte Naturbahn und größte Eisskulptur der Welt für die superschnellen Schlitten aufgebaut. Am Sonntag konnte sich ein junger Hochstädter in die Annalen dieser einzigartigen Sportstätte eintragen: Paul Straub wurde als Anschieber im Viererbob des Piloten Richard Oelsner Junioren-Weltmeister der Altersklasse bis 23 Jahre. Im Gesamtklassement bis 26 Jahre belegte das Team den fünften Rang hinter vier anderen deutschen Schlitten.
Für Straub ist dieser "Junioren-Junioren-WM-Titel" krönender Abschluss einer Saison, die nur Siege brachte: Zuvor standen drei erste Plätze bei Europacup-Rennen zu Buche, die er mit den Piloten Oelsner und Pablo Nolte einfuhr. Nolte holte am Sonntag Gold im Gesamtklassement, mit dessen Anschieber Florian Bauer ist Straub eng befreundet, beide trainieren beim Bob- und Rodelclub Ohlstadt und wurden in St. Moritz zusätzlich für die besten Anschubzeiten ausgezeichnet. Und beide waren zuvor Sprinter, als sie Straubs Mannschaftskamerad in der LG Würm Athletik, Dennis Pihale, für den Bobsport gewann. Der konnte sich als Pilot im Herbst in den Selektionsrennen für den Europacup nicht qualifizieren, deshalb wurden seine Anschieber auf andere Bobs verteilt.
Als Straub vor zwei Jahren zum ersten Mal im Cockpit des bis zu 150 Stundenkilometer schnellen Schlittens saß, "hatte ich schon ein bisschen Schiss", räumt der inzwischen 22-Jährige ein. "Aber das hat sich inzwischen gelegt." Seine Sportkarriere begann in der Hochleistungsklasse einer Fußballschule und als Aktiver beim TSV 1860, doch dann räumte er vor acht Jahren der Leichtathletik den Vorzug ein. Über 400 und 200 Meter wurde er fünft- und siebtschnellster seines Jahrgangs in Deutschland, Straubs Bestzeit über 100 Meter lag ganz knapp über elf Sekunden.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sprinter als Anschieber bei Bobrennen eingesetzt werden. Gleiches gilt für Diskuswerfer, die zudem meist auch mehr Gewicht mitbringen, was den Schlitten bei der Sturzfahrt im Eiskanal höheres Tempo verleiht. Das Idealgewicht der Bobfahrer sei eigentlich 105 Kilogramm, sagt Straub, als letzter im Schlitten reichten aber auch seine 87 Kilo. Im der nächsten Saison darf er erstmals auf Sportförderung hoffen, bislang ist er lupenreiner Amateur, der abends allein im Seefelder Studio Kraft- und Lauftrainings absolviert und im Sommer beim BRC Ohlstadt an den Wochenenden Teamschübe übt.
Im Herbst und Winter mussten freilich auch Straubs Arbeitgeber mitspielen: In der Farchacher Schreinerei Pfisterer traf er mit seiner Sportbegeisterung auf viel Verständnis - vielleicht weil er mit Juniorchef Valentin Pfisterer in Weilheim die Berufsschulbank drückte. Seit 2015 arbeitet Straub dort im Familienbetrieb mit, zuletzt musste er ziemlich viel unbezahlten Urlaub nehmen.
Um in der absoluten Weltspitze mitzufahren, brauchen Bobteams auch viel Erfahrung, deshalb gelten selbst 26-Jährige in dieser Sportart noch als Junioren. Straub kann frühestens hoffen, sich für Olympia 2022 in Peking zu qualifizieren. Und wie beurteilt er nach der Pleite von Sotschi die Chancen der deutschen Schlitten 2014 demnächst in Pyeongchang? "Dieses Mal schaut's ziemlich gut aus."