17-jährige Jungforscherin vom Ammersee„Auf dem Weg zur Marie Curie des 21. Jahrhunderts“

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Beherrscherin der Molekülketten: Julia Trapp vom Ernst-Reisinger-Gymnasium in Schondorf entwickelte einen auf natürlichen Rohstoffen basierenden Stromspeicher.
Beherrscherin der Molekülketten: Julia Trapp vom Ernst-Reisinger-Gymnasium in Schondorf entwickelte einen auf natürlichen Rohstoffen basierenden Stromspeicher. (Foto: Foto: Franz Xaver Fuchs)

Julia Trapp vom Landheim Ammersee in Schondorf steht zum zweiten Mal im Bundesfinale von „Jugend forscht“. Dieses Mal mit einer organischen Batterie, die das Potenzial zum grünen Energiespeicher hat.

Von Lilly Fels, Schondorf

Die 17-jährige Schülerin Julia Trapp vom Landheim Ammersee hat ein ziemlich außergewöhnliches Hobby. „Es ist etwas, womit ich dem stressigen Alltag entkommen kann“, sagt sie - und meint dabei das Forschen. In der Schule sei alles ziemlich auf Schienen gesetzt, erklärt sie. Es gebe eine Fragestellung, einen konkreten Lösungsweg - und die Antwort steht eigentlich auch schon fest. Aber beim Forschen, „da kann ich mir meine eigenen Fragen suchen, da gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur wahr“. Mit ihrem neuesten Chemie-Projekt „Nico-Hybrid“ hat Trapp es ins Bundesfinale des Wettbewerbs „Jugend forscht“ geschafft - und das nicht zum ersten Mal.

Die Frage, wie die Welt funktioniert, hat Trapp eigentlich schon immer interessiert. Die zündende Idee für ihr erstes „Jugend forscht“-Projekt, das sie gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Alexander entwickelte, kam ihr, als ihr beim Backen Tinte in einen Hefezopf geriet und dabei Energie freigesetzt wurde. Dieser Zufall stellte die Weichen für die Schülerin.

Was Trapp gerade vor sich auf den Tisch in der Schulbibliothek in Schondorf legt, sieht für den „Otto Normalverbraucher“ wahrscheinlicher eher aus wie ein Miniatur-Klettergerüst. Trapp hat in den vergangenen zwei Jahren aber kaum einen Tag verbracht, ohne an das NADH zu denken. In ausgeschriebener Form steht das für:  Nicotinamidadenindinukleotidhydrid. Diese Verbindung war es, die bei der Redoxreaktion ihres Hefezopfs entstanden war.

Die Idee, die chemische Reaktion zur Stromgewinnung zu nutzen, hat sie jetzt für ihr zweites Projekt alleine weiterentwickelt. „Das Problem war, dass die Hefe sehr instabil und vor allem temperaturabhängig war“, erklärt Trapp mit leuchtenden Augen. Deshalb hat sie sich mit dem NADH, das die Energie überträgt, weiter beschäftigt. Das NADH sei ein sehr großes Molekül, erklärt Trapp, aber die Energieübertragung sitze nur an der Nicotinamid-Gruppe davon. Diese gibt ein Elektron ab und nimmt eines auf. Allerdings brauche es etwas, um die Ladung zu stabilisieren. Trapp hat sich deshalb drei Arten von stabilisierenden Resten überlegt und diese synthetisiert. „Dadurch kann man dann Strom speichern“, erläutert die 17-Jährige.

Diese Idee hat auch die Jury im bayerischen Landesfinale des 60. Jugend-forscht-Wettbewerbs in Klingenberg überzeugt. In der Kategorie Chemie sicherte sich Trapp damit einen der beiden ersten Plätze und ihr Ticket zum Bundesfinale in Hamburg. Unter dem diesjährigen Motto „Macht aus Fragen Antworten“ reichten die bayerischen Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 21 Jahren insgesamt 1424 Projekte über alle Kategorien verteilt ein. „‚Jugend forscht‘ bietet dafür eine tolle Bühne, auch, um andere gleichaltrige Kinder und Jugendliche kennenzulernen, die dasselbe Interesse teilen“, findet Trapp. „Es freut einen, wenn man so lange an etwas arbeitet und dann plötzlich diese Anerkennung dafür bekommt, weil man selber sieht: Wow, das könnte vielleicht die Welt verändern.“

Genau das ist auch Trapps Hoffnung für ihr Projekt: Sie wünscht sich, dass ihre Idee irgendwann in die industrielle Fertigung geht. Deutschland sei schließlich nicht das rohstoffreichste Land, aber solche organischen Batterien könnte man auch hier problemlos herstellen. Die Herstellung sei umweltfreundlich, das Material nicht toxisch und zudem gut zu entsorgen. „Ich glaube, das ist die Zukunft: ein organischer Akku“, sagt Trapp. Man könne etwa die am Tag gewonnene Solarenergie in so einer Batterie speichern oder sie als Autobatterie verwenden. Trapp lacht und lässt ihren Gedanken weiter freien Lauf: „Ich wohne an der Amper, ich könnte dann das Amper-Valley gründen“, sagt sie mit Blick auf das High-Tech-Zentrum Silicon Valley in den USA. Semantisch hätte das durchaus seinen Charme: Amper - da fehlt ja nur ein E am Ende und man hätte den Begriff für die Stromstärke.

Trapps Fachbetreuer setzt große Hoffnungen in sie

Auch Trapps Fachbetreuer Thorwald Feuerabend sieht großes Potenzial in seiner Schülerin und deren Idee: „Für mich ist Julia auf dem Weg zu einer Marie Curie des 21. Jahrhunderts.“ Er hofft, dass die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft das Potenzial ihrer Forschungsarbeit möglichst schnell erkennen.

Die Begeisterung für Forschung hat die Schülerin bereits aus ihrem Kinderzimmer über „Jugend forscht“ bis nach Los Angeles katapultiert, wo sie und ihr Bruder am weltgrößten MINT-Schülerwettbewerb, der International Science and Engineering Fair 2024 (ISEF), den weltweit vierten Platz im Fachgebiet Chemie belegt haben. „Das war eine der besten Wochen meines Lebens“, erinnert sich Trapp mit einem Lächeln. Man lerne so viele Leute kennen, auch aus anderen Ländern. Und dann gibt sie sich abgebrüht: Egal, ob Los Angeles oder Voralpenland - aufgeregt sei sie immer nur vor den Wettbewerben. „Wenn man dann über seine Ideen spricht, verfliegt die Aufregung.“

Bremen, Hamburg, Los Angeles und zwischendurch weiter am eigenen Projekt feilen - bleibt da überhaupt noch Freizeit? Ja, sagt Trapp: „Ich gehe auch gerne in die Natur, gerade da kommen mir die Ideen, was ich noch ausprobieren könnte. Eigentlich brauche ich keine Freizeit von dem Hobby.“

Und nach der Schule? Da will Trapp der Wissenschaft definitiv nicht den Rücken kehren. Damit gehört sie tatsächlich einer Minderheit an, denn eine Studie des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass Mädchen nach wie vor unterrepräsentiert sind in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 2022 machten die MINT-Studienanfängerinnen nur 35 Prozent aus. In den Jahren zuvor war die Frauenquote noch geringer. Bei den „Jugend forscht“-Wettbewerben hat Trapp die Mädchen indes nie als unterrepräsentiert wahrgenommen. „Ich finde, eigentlich ist die Wissenschaft nicht sexistisch, sie basiert nur auf Fakten.“

Bis Ende Mai dauert der Endspurt für Trapp und ihr Projekt noch, dann geht es nach Hamburg - und danach vielleicht weiter bis zum „Amper Valley“.

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