Jubiläum:Politische Poeten

Die Literaturzeitschrift "Das Gedicht" feiert ihr 25-jähriges Bestehen. Der Weßlinger Verleger, Herausgeber und Lyriker zelebriert das Jubiläum ganz groß im Oktober. Auf dem Marienplatz in München ist eine Demo gegen die Verfolgung von Autoren geplant

Von Wolfgang Prochaska, Weßling

Wenn eine Literaturzeitschrift seit 25 Jahren, also einem Vierteljahrhundert, existiert, in der auch noch die wichtigsten deutschsprachigen Autoren wie Günter Grass oder Franzobel veröffentlicht haben, dann ist es nicht zu hochgegriffen, zu behaupten, dass sie Literaturgeschichte geschrieben hat. Im Oktober feiert "Das Gedicht", das im Anton G. Leitner Verlag aus Weßling erscheint, 25-jähriges Bestehen - ein Jubiläum, das der Verleger und Lyriker Anton G. Leitner groß feiern wird.

Jubiläum: Die aktuelle Ausgabe hat die "Religion" zum Thema.

Die aktuelle Ausgabe hat die "Religion" zum Thema.

(Foto: oh)

Im Gegensatz zum letzten runden Geburtstag, der 20-Jahr-Feier, wird es diesmal gleich mehrere Veranstaltungsorte geben, an denen sich etwa 60 Dichter aus vier Generationen und zwölf Nationen treffen, reden und ihre Gedichte lesen werden. Das sind das Kloster Benediktbeuern, der Marienplatz und das Literaturhaus in München. Die Veranstaltungen werden angesichts der Veränderungen in der Welt politischer sein, sagt Leitner. So ist für den 25. Oktober eine Demo auf dem Münchner Marienplatz unter dem Motto "Poeten demonstrieren für die Menschenrechte" geplant. Organisatoren sind Amnesty International, der Bezirk München/Oberbayern und Leitners Verlag. Etwa 20 Poeten, darunter Sujata Bhatt, Bumillo, Semier Insayif, Anatoly Kudryavitsky, José F. A. Oliver und Said, werden von 16 Uhr an ihre Gedichte vortragen. Zwar ist der in zwischen 55 Jahre alte Weßlinger Verleger und Lyriker schon immer für spektakuläre Aktionen bekannt gewesen, aber diese haben sich eher auf die Vermittlung von Lyrik bezogen. Das Politische ist neu, und wenn man mit Leitner spricht, welche Veränderungen es in den vergangenen Jahren gegeben habe, dann sind es drei Themen, die sich in den Vordergrund geschoben haben: die Politik, die Religion und die Mundart.

Verleger Anton G. Leitner

Der Weßlinger Verleger Anton G. Leitner hat das Wunder des langjährigen Erfolgs vollbracht.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die 25. Ausgabe des "Gedichts" greift deshalb das Thema "Religion im Gedicht" auf. Die Politik bildet sich in seiner Zeitschrift dahingehend ab, dass Leitner den interkulturellen Dialog weiter forcieren möchte. Sein Verlag unterstützt deshalb Fouad EL-Auwad, den aus Syrien stammenden Schriftsteller und Gründer des deutsch-arabischen Lyriksalons, bei der Herausgabe einer zweisprachigen Anthologie, in der sich deutsche und arabische Poeten begegnen.

Starnberg Zeitschrift Das Gedicht

25 Jahre liegen zwischen dem ersten Heft der Literaturzeitschrift "Das Gedicht" und der aktuellen Ausgabe.

(Foto: Georgine Treybal)

Eröffnet wird das Jubiläumsprogramm mit einem internationalen Colloquium am 24. Oktober. Thema: "Die Zukunft der Poesie." Es findet im Kloster Benediktbeuern statt. Das Kloster ist ein für die Dichtkunst historischer Ort. In der dortigen Bibliothek wurden einst die für die Lyrik so wichtige Anthologie "Carmina Burana" gefunden. Unter anderem treffen sich die bisherigen Herausgeber der Zeitschrift sowie die Gedicht-Redakteure zusammen mit Stammautoren, Kulturjournalisten und Literaturvermittlern, um nach 25 Jahren eine Zwischenbilanz zu ziehen. Gemeinsam, so Leitner, wollen sie erörtern, wohin sich die Lyrik als "Königsgattung der Literatur" und ihre Vermittlungsinstrumentarien entwickeln. Höhepunkt ist am 25. Oktober die Jubiläumslesung im Literaturhaus München. 60 Lyrikerinnen und Lyriker aus Europa feiern. Der Münchner Schriftsteller Friedrich Ani, der auch schon Mitherausgeber war, hält eine kurze Laudatio.

Leitner macht keinen Hehl daraus, wie schwer es für einen kleinen Verlag ist, zu überleben. "Bis 2001 ist es immer aufwärts gegangen, dann wurde es immer schwieriger, weil sich die Buchhändler gegenüber den kleinen Verlagen und der Lyrik immer mehr gesperrt haben", berichtet er. Früher habe er 3000 Exemplare im Buchhandel untergebracht, heute seien es nur noch 500. Leitner wäre nicht Leitner, hätte er nicht rechtzeitig erkannt, welche Chancen das Internet für ihn bedeuten könnte. "Meine Rettung war mein Lyrikportal, das ich vor fünf Jahren gegründet habe." Ein Lyrikblog gehört auch dazu. Dadurch habe er jetzt direkten Kontakt zu den Lesern seiner Zeitschrift und über das Internet seien auch junge Leute dazugekommen. 3000 Exemplare setzt er insgesamt noch ab. Die höchste Auflage in den Nuller-Jahren lag bei 7000. Durch das Internet will er nun auch die Kosten für den Blog hereinholen. Stichwort Crowdfunding: Die Nutzer sollen freiwillig einen Obolus leisten. Immerhin hat der Blog bis zu 700 Besucher täglich. Dazu werden die Kanäle Twitter und Facebook bedient. Umfassender geht es nicht, und Leitner freut sich, dass er ab dem 1. September auf "dasgedichtblog.de" seine Zeitschrift zur digitalen Festbühne machen wird. Dafür hat er die Bloggerin Franziska Röchter gewonnen, die jeden Tag die Teilnehmer der Veranstaltungen in der Interviewreihe "Der Mensch hinter dem Dichter" vorstellt. Am 5. September startet auch die Netz-Anthologie "Religion und Lyrik", die Leitner und der Lyriker José F. A. Oliver zusammengestellt haben.

Eines ist für ihn klar: Reich werden kann man mit Lyrik nicht. Aber angesichts eines Unterstützerkreises, der ihm auch finanziell unter die Arme greift, wird es auch im nächsten Jahr seine Zeitschrift geben. Aber: "Ohne die Hilfe von Freunden hätte ich das Jubiläum nicht machen können."

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