Süddeutsche Zeitung

Jubiläum in Garatshausen:Heiligenschein aus Kabeln und Pferdehaar

Die Ausstellungsreihe "Künstler für Senioren" feiert ihr 30-jähriges Bestehen inmitten von Kunstwerken

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Garatshausen

Ein älterer Herr kommt mit einem glücklichen Lächeln und ausgebreiteten Armen auf Paulo De Brito zu und fragt, ob er ihn umarmen darf. "Es ist fantastisch, was Sie Schönes machen", schwärmt er und betrachtet De Britos raumeinnehmende Aureole im Kaminzimmer des Altenheims des Bayerischen Roten Kreuzes in Garatshausen. Fast alle Besucher der Ausstellung "Licht des Glaubens", die am Freitag zum 30-jährigen Bestehen der Initiative "Künstler für Senioren" im Altenheim gezeigt wurde, sind tief berührt von dem Strahlenkranz aus matt schimmernden Kupferdrähten, Stromkabeln und Pferdehaar vor leuchtend blauem Hintergrund. Das Kunstwerk wirkt wie ein Heiligenschein. Nach Angaben des Künstlers aus Portugal, der seit Ende der 1990er Jahre in Starnberg wohnt, soll die Rauminstallation ein Symbol sein für Energie und die Kraft das Glaubens. Mit seinem Kunstwerk habe er den bislang wenig genutzten Raum zu einem Ort der Andacht, Ruhe und Heiterkeit machen wollen. "Ich erreiche die Menschen nicht mit Worten, sondern mit meinen Kunstwerken", sagt De Brito. Von den Bewohnern des Altenheims bekomme er mehr zurück, als er selbst mitgebracht habe.

Rita Enzinger, die die Initiative "Künstler für Senioren im Jahr 1989 angestoßen und seither unzählige Ausstellungen organisiert hat, würdigte die zahlreichen Künstler, die ihre Werke ohne Verkaufsabsicht in das Altenheim gebracht haben. "Der Lohn der Künstler ist, dass ihre Werke etwas für die Seele der Menschen tun, die Kunst anderswo nicht mehr erleben können", sagte sie in der Feierstunde, die musikalisch gestaltet wurde von der Musikschule Starnberg.

Ebenso, wie De Brito hat sich auch die Fotokünstlerin Jelisaveta Schwarzbach mit dem Glauben auseinandergesetzt. Seit fünf Jahren befasst sie sich mit der Frage, was Menschen in die Kirchen zieht und inwieweit sie dort Trost finden. Insgesamt 48 ihrer Werke sind auf dem Weg zum Kaminzimmer zu sehen, das seit Januar auch Andachtsraum ist. Die Kirchenschiffe fotografiert Schwarzbach ohne Stativ und ohne Blitzlicht. Sie setzt sich alleine mit dem natürlichen Lichteinfall durch die Kirchenfenster auseinander und bearbeitet dieses Schattenspiel am Computer nach. Eines ihrer Lieblingsmotive ist die Kirche Sankt Nikolaus in Albanien. Der krasse Gegensatz zwischen diesem Ort des Glaubens und der profanen Nutzung als Munitionslager hat die Künstlerin beeindruckt. Das einfache, stark renovierungsbedürftige Kirchenschiff wird alleine durch die brennenden Kerzen mystisch beleuchtet. Im Schatten ist schwach zu erkennen, dass der Boden aufgegraben ist, weil laut Schwarzbach offenbar nach Kirchenschätzen gesucht worden war.

Die Werke des 80-jährigen Künstlers Johannes Schiller aus Gauting haben ebenfalls eine magische Wirkung. Schiller bearbeitet Wurzeln und Holzstücke, die er im Wald gesammelt hat. Der ehemalige Banker, der lange Zeit in Los Angeles (USA) gelebt hat, beschäftigt sich auch mit Lüftlmalerei.

Laut Enzinger hat sich in den drei Jahrzehnten der Reihe "Künstler für Senioren" ein "Dreiklang" aus Kunst, Musik und Lyrik entwickelt, um das Leben der Bewohner zu bereichern. Zahlreiche Sponsoren und private Spender hätten in dieser Zeit dazu beigetragen, dass einzelne Kunstwerke für das Altenheim gekauft werden konnten. Einige Künstler stellten ihre Werke zudem als Dauerleihgabe zur Verfügung. Dadurch habe man einen Kulturraum schaffen können, der auch fremde Besucher anziehe und Leben ins Altenheim bringe. Unisono lobten die Redner Enzinger für ihr Engagement, welches sich die ehemalige Bundesministerin und Feldafinger Ehrenbürgerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auch für andere Einrichtungen wünschen würde, wie sie sagte.

Die Ausstellung wurde bis zum 14. April verlängert. Am Mittwoch, 19. Februar, sowie am 26. Februar, jeweils um 15 Uhr, führen Künstler durch die Ausstellung. Die 30-minütigen Andachten im Kaminzimmer sind ebenfalls öffentlich. Katholische Eucharistiefeiern finden jeden Sonntag, um 10 Uhr statt, evangelische Messen werden jeden Mittwoch um 15.30 Uhr gelesen.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2020
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