Ich muss gleich mal bekennen: Ich hab’s nicht so mit der Religion. Das ist im Faust’schen Sinne meine Gretchenantwort. Wenn ich allabendlich auftauche, um mir den Sonnenuntergang anzuschauen, dann muss ich aber immer wieder feststellen: Das ist schon sehr anmutig mit diesen Kirchtürmen. Rund um den Starnberger See, von Sankt Joseph in Tutzing bis rüber zur Pfarrkirche Sankt Johann in Holzhausen, überall diese schicken Kuppeln und Hauben – ich schau’s mir einfach gerne an. Rein vom Landschaftsbild her muss ich da mal ein architektonisches Dankeschön aussprechen.
Und klar, die Geschichten in der Bibel. Die lese ich auch immer mal wieder ganz gerne. Deshalb muss ich an dieser Stelle eine kleine Analogie verwenden. Ich schaue mir ja nicht nur die Kirchtürme an, liebe Leut’. Ich habe auch ein waches Auge auf euch. Ihr seid meine Schäflein – wenn ich das aus der heiligen Schrift jetzt so zitieren darf –, die ich nach Möglichkeit behüte und beschütze, zum Beispiel, wenn einer dieser hungrigen Riesenwaller mal wieder eine Badehose anknabbert oder wenn ein Schwarm Mücken über euch herzufallen droht.
Um ein bestimmtes Schäflein mache ich mir gerade aber besonders viele Sorgen, nämlich um den früheren Fußballnationaltorwart Jens Lehmann. Mit gefräßigen Fischen oder blutsaugenden Stechviechern hat das jetzt weniger zu tun. Und wenn ich es mir so recht überlege: Wir sind offenbar ein Stück weit Brüder im Geiste. Denn er teilt anscheinend meine Leidenschaft fürs Seepanorama und die Kirchtürme. Gut, deswegen muss man nicht gleich zur Kettensäge greifen, wenn der Nachbar seine Garage ausbaut. Mit ein bisschen Strafrabatt hat das Landgericht München das jetzt auch so bestätigt. Aber Sorgen mache ich mir noch wegen etwas ganz anderem.
Vor wenigen Tagen wurde der „arbeitslose Fußballtrainer“, so hat er sich ja mal selbst bezeichnet, nach einem offenbar recht bierseligen Wiesn-Besuch betrunken am Steuer erwischt. Jetzt frage ich mich natürlich: Wo sind denn die Zeiten hin, in denen der „Mad Jens“, wie sie ihn auch mal genannt haben, ursprünglich wegen seines galoppierenden Ehrgeizes, sich mit dem Hubschrauber von seinem Wohnort am Starnberger See zum Training bei seinem damaligen Arbeitgeber in Stuttgart hat fliegen lassen.
Auf der Theresienwiese in München ist zur Oktoberfestzeit freilich sehr wenig Platz, da kann man schwerlich mit dem Hubschrauber landen. Aber es muss ja auch nicht unbedingt ein Flugtaxi sein, so ein einfacher Transportservice mit vier Rädern, das muss doch auch für einen „arbeitslosen Fußballtrainer“ noch zu berappen sein, selbst, wenn es bis raus nach Berg am Starnberger See geht.
Ich weiß jetzt auch nicht, was ich dem Jens raten soll. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass die Lage eskaliert. Vielleicht wirklich am ehesten noch: vor dem Einschlafen schnell noch ein paar Kirchtürme zählen. Das entspannt, das kann ich aus Erfahrung sagen. Aber bitte vorher jeden Gedanken an Kettensägen fallen lassen. Am Starnberger See gibt es auch am Festland überall landschaftlich wunderbare Fleckchen, von denen aus man einen freien Blick auf den See und die angrenzenden Orte hat. Meinen persönlichen Lieblingsspot, meine lieben Schäflein, da überrasche ich euch jetzt nicht, verrate ich aber selbstredend nicht.