"Jazz am See" in Feldafing:Empfindsam und farbenreich

Feldafing: Jazz am See

Er kann Spannung aufbauen, findet aber auf wohltuende Weise wieder heraus: Gitarrist Philip Catherine beim Eröffnungskonzert von "Jazz am See".

(Foto: Nila Thiel)

Paulo Morello und Philip Catherine eröffnen die Saison

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Es war ein fulminanter Start in die neue Konzertsaison bei "Jazz am See" im fast ausverkauften Bürgersaal Feldafing. Obgleich ein Start, der eher auf leisen Sohlen daherkam. Drei Zupfinstrumente können es zwar durchaus ordentlich krachen lassen, doch nicht so das Philip Catherine und Paulo-Morello-Trio. Die beiden international renommierten Gitarristen und der nicht minder gefragte Kontrabassist Sven Faller sind genügsam in der Anwendung der elektronischen Ausstattung. Was sie für ihre Art zu musizieren brauchen, haben sie in den Fingern. Vor allem der Belgier Philip Catherine, der oft mit Django Reinhardt verglichen wird. Catherine, der zur Unterhaltung auch Witze erzählte, hat eine andere, eben eigene Art zu musizieren. Eine wesentlich subtilere, die ihre Stärken im empfindsamen Spiel und im Farbenreichtum zeigte, die sich der Musiker rein spieltechnisch zu erschließen verstand. Die andere prägnante Qualität des knapp 77-jährigen Gitarristen, der schon ein ordentliches Stück Jazzgeschichte mitgeschrieben hat, ist der Umgang mit der harmonischen Substanz, deren Erweiterung oft schon weit ins Atonale hineinragte.

Doch schließlich fand Catherine immer wieder auf eine wohltuende Weise aus der Spannung wieder heraus. Für ihn war das Suchen und Erspüren ein wichtiges Motiv, wobei es dabei schon sehr empfindsam und leise zugehen konnte. Umso wirkungsvoller vermochte Catherine dann Steigerungen und Intensivierungen zu inszenieren, mal mit unvermittelten Ausbrüchen, mal auch sorgfältig aufgebaut, um schließlich etwa mit donnernd angeschlagenen Akkorden mit flutender Klangfülle der warmtonigen halbakustischen Gitarren für imposante Wirkungen zu sorgen.

Manchmal nutzte aber auch Catherine die Elektronik, gerne etwas rockig aufgeraut, wie beispielsweise in Morellos agilem Wirbel des "Claudia's Delight" von der aktuellen CD des Trios "Manoir De Mes Rêves" (Schloss meiner Träume). Paulo Morello ist eher der konkretere Typ, der gerne mit klarer Substanz arbeitet. Während Catherine darauf bedacht war, jeden Ton aus der Emotion heraus plastisch auszuformen, dachte Morello eher in Linien und weiteren Zusammenhängen. Doch ließ er sich auch gerne von Catherine in Dialoge verwickeln, in denen beide eine gemeinsame Sprache irgendwo jenseits der beiden Spielweisen fanden. Die gegenseitige Ergänzung der Zugriffe war denn auch ein besonderer Reiz dieser Musik, zumal es Faller am Kontrabass auf kongeniale Weise immer gelang, sich auf die unentwegt variierenden Konstellationen einzulassen und alles zielsicher zu verklammern.

Diese Rolle war umso anspruchsvoller, da das Trio schon im Repertoire niemals in Einförmigkeit verfiel und unentwegt neuen, daher erfrischend inspirierten Ideen folgte. Von Bossa Nova etwa mit "Recado" oder Valse Musette mit Morellos "Robert's Waltz" - mit einem humorvollen Einschub eines traditionellen Walzers - über brasilianische Latin-Rhythmen des "Noites Cariocas" bis hin zu sentimentalen Balladen wie "Jardin D'Hiver" oder entspannt bluesig-swingenden Nummern wie "Insensiblement" des Osmanen Paul Misraki hätte das Spektrum wohl kaum weiter ausfallen können. Die Spannweite war aber nicht nur im Repertoire weit gezogen, sondern auch innerhalb der Titel selbst, die schon bisweilen weite Reisen unternahmen. Das konnte auf eine narrative Weise geschehen, in der diverse Spieltechniken für fesselnde Erzählszenarien sorgten.

Catherines "Letter from my mother" war inhaltlich begründet das Musterbeispiel dafür. Leider viel zu selten ließen sich die drei Musiker auf die klangexperimentelle Variante ein, die nicht zuletzt aufgrund der Rarität dann mit ihren klangsinnlichen Reizen besonders magisch verzauberte, so etwa aus der Feder des französischen Jazzpianisten Eddy Louiss.

Die Begeisterung des Publikums ließ nicht lange auf sich warten und reichte bis zur sinnenfreudigen Django Reinhardt-Zugabe.

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