Süddeutsche Zeitung

Interview:"Wir verheizen Lebensmittel"

Weßlings Bürgermeister Michael Muther lehnt Biogasanlagen ab, die aus Mais oder Weizen Strom gewinnen.

Wolfgang Prochaska

Der Weßlinger Bürgermeister Michael Muther (Freie Wähler) ist ein bodenständiger Kommunalpolitiker. Nicht alles, was erneuerbare Energien heißt, muss für ihn auch wirklich sinnvoll sein. Zum Beispiel die Biogasanlagen. Da ist der Gemeindechef ein Warner. Die SZ sprach mit ihm über seine Kritik an Biogasanlagen.

Herr Muther, Sie sind Mitglied des Aufsichtsrats der neuen Energiegenossenschaft. Diese will Projekte für erneuerbare Energien fördern und finanzieren. Sie vertreten aber die Meinung, sich nicht an Biogasanlagen zu beteiligen. Worauf begründen Sie Ihre Zurückhaltung?

Ich muss zuerst betonen, dass die Verarbeitung von Grasschnitt und anderem organischen Abfall in Biogasanlagen für mich ganz in Ordnung ist. Die Errichtung einer solchen Anlage ist derzeit vom Abfallwirtschaftsverband geplant. Hiergegen spricht aus meiner Sicht nichts. Im Gegenteil: Wir vermeiden die Mengen CO2, die beim Kompostierungsprozess freigesetzt werden.

Und was finden Sie dann nicht in Ordnung?

Wenn Mais und andere Nutzpflanzen angebaut werden und diese für die Vergärung zur Stromgewinnung genutzt werden. Durch den Anbau von Mais und anderen Nutzpflanzen für die Energiegewinnung werden landwirtschaftliche Nutzflächen den nahrungsmittelerzeugenden Betrieben, etwa den Milch- und Gemüsebauern, entzogen. Das finde ich nicht gut. Wir sollten diese Entwicklung nicht fördern. Ich frage mich aber auch, ob es Sinn macht, für die Belieferung von Biogasanlagen mit Bulldogs weite Strecken zu fahren. Eine Anlage, die den Strombedarf für 500 Haushalte liefert, benötigt täglich zirka 20 Tonnen Futter. Da werden große Mengen Treibstoff verbraucht. Dies belastet aber auch wieder unsere Umwelt.

Sie meinen, dass die normalen Landwirte Probleme bekommen.

Die Befürchtung der Landwirte ist nicht von der Hand zu weisen. Die Preise für Pachtflächen werden steigen. Momentan bringen landwirtschaftliche Produkte, die für die Energiegewinnung verwendet werden, eine höhere Rendite als Lebensmittel. Das ist für mich der falsche Weg. In unserem Umfeld haben wir relativ kleine Flächen. Die sind für einen Biogaser nicht lukrativ. Hier werden große, zusammenhängende Flächen gewünscht. Der Pachtpreis wird sich nach oben entwickeln, sodass der traditionelle Landwirt, der Nahrungsmittel produziert, nicht mehr mithalten kann. Der Druck auf die Landwirtschaft und auf die landwirtschaftlichen Flächen wird wachsen, wenn Biogasanlagen kommen sollten. Die Verlockung ist da. Wir müssen hier aufpassen. Unsere Heimat, also Bayern, unsere attraktive Landschaft besteht aus Wiesen und darauf grasenden Kühen. Dies ist unser traditionelles Landschaftsbild. So stellen wir uns, aber auch unsere Gäste, also die Touristen, Bayern vor. Nicht ein Bayern voller Monokulturen. Ich habe selber Bienen. Deshalb weiß ich und sage ich: Artenreichtum von Pflanzen und Tieren kann unter dieser Voraussetzung nicht erhalten werden.

Sie ließen aber vorher auch ethische Probleme anklingen?

Körnermais für die Stromgewinnung zu verarbeiten, gefällt mir genauso wenig wie das Verheizen von Weizen. In weiten Teilen der Welt herrscht Mangel an Nahrungsmitteln - und wir verheizen und vergären Nahrungsmittel, nur um unseren Luxus, unseren Kühlschrank betreiben zu können. Dies ist meiner Meinung nach nicht vertretbar. Sie wissen, dass ich religiös orientiert bin, deshalb sage ich auch, dies widerspricht unserer Schöpfung. Denken wir 70 Jahre zurück: Noch kein Überfluss, Lebensmittel waren knapp. Wir brauchen auch in Zukunft die Flächen zur Erzeugung von Nahrung. Deshalb werde ich mich als Aufsichtsrat in der Genossenschaft dafür einsetzen, dass wir bei dieser Art von Biogasanlagen zurückhaltend sind.

Interview: Wolfgang Prochaska

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Quelle:
SZ vom 27.09.2011
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