Süddeutsche Zeitung

Interview:In Sachen Störerhaftung

Tobias McFadden von der Piratenpartei muss warten: Das Oberlandesgericht verschiebt Urteil um vier Wochen.

Von Christine Setzwein, Gauting

Für Tobias McFadden ist der Zugang zum Internet ein Menschenrecht, als Form der gesellschaftlichen Teilhabe. Die Piratenpartei, der der Gautinger angehört, will darum einen rechtssicheren, freien Wlan-Zugang für alle erreichen. Darum kämpft McFadden seit Jahren, auch vor Gericht. Im Wesentlichen geht es um die Störerhaftung. Über einen Hotspot, den er 2010 in seinem Büro für Veranstaltungstechnik eingerichtet hatte, wurde ein Album der Band "Wir sind Helden" runtergeladen und angeboten. Wer das war, konnte nie festgestellt werden. Belangt wurde McFadden. 800 Euro sollte er zahlen, er weigerte sich. Die Band hat sich längst aufgelöst, der Streit geht weiter. 2014 überstellte das Landgericht München I die Sache an den Europäischen Gerichtshof. Der gab McFadden 2014 in weiten Teilen recht. Laut EuGH müsse nicht mehr der Betreiber des Hotspots für Urheberrechtsverstöße haften. Zuvor hatte der Bundestag das Ende der Störerhaftung beschlossen. Damit sollen private Wlan-Anbieter vor Schadensersatzforderungen geschützt werden. Nicht betroffen sind Unterlassungsansprüche. An diesem Donnerstag wollte das Oberlandesgericht ein Urteil fällen - das erste seit Inkrafttreten des neuen Telemediengesetzes (TMG). Der Termin wurde kurzfristig auf den 15. März verschoben.

SZ: Ist die Verschiebung nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Tobias McFadden: Ich weiß es nicht, aber offensichtlich ist die Entscheidungsfindung nicht so einfach. Aber mir ist es lieber, die Richter beschäftigen sich intensiv mit dem schwierigen Thema. Die Lage ist schließlich komplex.

Erklären Sie uns doch kurz, worum es eigentlich geht.

Es geht darum, dass ich laut dem letzten Jahr geändertem Telemediengesetz in Bezug auf Unterlassungsansprüche der Gegenseite nicht mehr belangt werden dürfte und den Prozess diesbezüglich gewinnen müsste. Die Gegenseite wiederum geht davon aus, dass das neue TMG nicht europarechtskonform ist und versucht, das Gericht dahingehend zu überzeugen.

Wie viel Geld hat Sie der Rechtsstreit schon gekostet?

Die Piratenpartei unterstützt und finanziert den Prozess. Mittlerweile sind wir im fünfstelligen Bereich.

Seit Sie 2010 in Ihrem Büro ein für alle offenes Internet eingerichtet haben, ist einiges passiert. Die Schifffahrt bietet mittlerweile offenes Wlan an, die Bahn, Hotels, Cafés, Einkaufszentren. Haben die alle keine Probleme mit illegalen Handlungen?

Alle diese Institutionen wickeln den Verkehr über einen Provider wie die Telekom oder Vodafone ab. Für diese gelten Providerprivilegien, sie sind unter anderem von der Störerhaftung ausgeschlossen. Kleinere Anbieter tun sich hier schwerer; obwohl der EuGH in meinem Prozess bestätigt hat, dass auch zum Beispiel Selbständige wie ich als Provider anzusehen sind.

Wie geht es dann weiter?

Das hängt vom Urteil ab. Wenn das Gericht das TMG in meinem Sinne interpretiert, wird wohl die Gegenseite in Berufung gehen. Ansonsten wahrscheinlich wir. Von daher geht es ziemlich sicher in die nächste Instanz.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2018
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