Voriges Jahr war Bürgermeister Alexander Herrmann (Grüne) noch voller Hoffnung, dass schon an Weihnachten Tempo-30-Schilder an der viel befahrenen Schondorfer Ortsdurchgangsstraße stehen. Doch daraus wird auch dieses Weihnachten nichts, denn nun lehnt die Untere Straßenbaubehörde im Landratsamt Landsberg eine Tempo-30-Regelung ab.
Die Straßenbaubehörde ist eine von drei Stellen, die zu den von den Nachbargemeinden Schondorf und Utting erstellten und im Frühjahr gebilligten Lärmaktionsplänen noch ihr Einvernehmen erteilen müssen. Deren „Nein“ löst in den betroffenen Orten Empörung aus, schließlich bemühen sich die beiden Gemeinden am Ammersee-Westufer seit vielen Jahren um einen besseren Lärmschutz für die Anlieger der Ortsdurchgangsstraßen.
Mit dem Lärmaktionsplan (LAP) haben die Gemeinden endlich selbst ein Mittel in der Hand, um aktiv werden zu können, da die Gemeinden nicht selbst festlegten dürfen, wie schnell auf Staatsstraßen im Ort gefahren werden darf. Seit 1957 gilt laut Straßenverkehrsordnung in der Bundesrepublik innerorts generell Tempo 50.
Wie Wolfgang Müller von der Pressestelle des Landsberger Landratsamts mitteilte, wäre eine „sowohl tags als auch nachts geltende, durchgehende Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Kilometer pro Stunde entlang der Staatsstraßen angesichts der berechneten Lärmbelastung sowie der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben aus Sicht der Unteren Straßenverkehrsbehörde unzulässig“. Zudem habe man darauf hingewiesen, dass vorrangig mildere Mittel wie etwa aktive und passive Schallschutzmaßnahmen geprüft werden sollten, so Müller. Schallschutzfenster statt einer Geschwindigkeitsreduzierung also.
„Ich finde, es ist eine Unverschämtheit“, sagt Herrmann
Diese Entscheidung kann Herrmann in keiner Weise nachvollziehen: „Ich finde, es ist eine Unverschämtheit wie hier argumentiert wird. Das Schutzbedürfnis der Menschen vor Lärm wird hinter das Recht der Kraftfahrer gestellt. Das ist nicht nur wenig zeitgemäß, sondern in meinen Augen auch menschenverachtend.“
Um die Entscheidung der Unteren Straßenbaubehörde einzuordnen, holt Herrmann etwas aus. In Bayern, und nur in Bayern, wie Herrmann betont, werden immer noch die RLF-90 genannten Richtlinien für Lärmschutz an Straßen aus dem Jahr 1990 angewandt, obwohl es bereits seit 2019 eine neuere Richtlinie gibt, die RLF-19. Nach dieser Richtlinie, die strengere Grenzwerte beinhaltet, wurden auch die Lärmgutachten für Utting und Schondorf erstellt, berichtet Herrmann. Die Werte nach RLF-90 habe man wunschgemäß innerhalb drei Tagen dem Landratsamt Landsberg nachgereicht, sagt Herrmann.
In Schondorf passieren laut Zählung täglich bis zu 15 000 Fahrzeuge den Ortseingang Greifenberger Straße. Gutachter Korbinian Grüner von der Accon GmbH aus Greifenberg berechnet, dass in Schondorf tagsüber 475 und nachts 247 Menschen durch Straßenlärm an den Hauptverkehrsstraßen belastet werden, in Utting sind es tagsüber 326 und nachts 246 Menschen.

In Utting hat auch Bürgermeister Florian Hoffmann (LWG) gar kein Verständnis für die Einschätzung, es gebe zu wenig betroffene Anlieger, beziehungsweise sei das Tempolimit durch andere Maßnahmen vermeidbar. Im Rahmen des Verfahrens zum Lärmaktionsplan haben sich die beiden Gemeinden vom ersten Tag an von Martin Spieler von der Münchner Kanzlei AVR beraten lassen, eine erfahrene Kanzlei, die auch für die Ammersee-Gemeinde Inning tätig war, die ähnlich gelagerte Probleme hat. Hoffmann gibt sich kämpferisch, denn „unser Anwalt geht ganz klar von der Umsetzbarkeit des Aktionsplans aus, entsprechend kann hier der Rechtsweg nur das richtige Mittel sein“.
Auch Bürgermeister Herrmann schaut nach Inning, wo die Gemeinde mit ihrem Lärmaktionsplan einen Tempo-30-Abschnitt auf der Staatsstraße erwirken konnte. Dieses Verfahren nutzten Schondorf und Utting als Blaupause. Dass in Landsberg nun anders entschieden wurde als im für Inning zuständigen Landratsamt Starnberg, will Herrmann nicht hinnehmen. In den Gemeinderäten Utting und Schondorf wurde in den jüngsten Sitzungen nun ein gleichlautender Beschluss gefasst, demgemäß bei der Regierung von Oberbayern Beschwerde eingelegt wird. Notfalls werden die Gemeinden den Rechtsweg beschreiten und gegen ihre Dienstaufsichtsbehörde klagen.