Süddeutsche Zeitung

Inning:Umgeben von alten Bekannten

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Die Künstlerin und Philosophin Gisela Forster präsentiert Prominenten-Porträts in ihrem Privathaus

Patrizia Steipe

Gisela Forster braucht keine Toscana-Landschaften, keine Atelieratmosphäre oder Ruhe, um kreativ zu sein. Vor ihrem Bett steht das Bügelbrett und ein Hocker, damit sie gleich in der Früh bereits drei bis vier Bilder malen kann, am liebsten, wenn der Fernseher läuft. Dabei hat die unkonventionelle Bergerin nicht Arte oder einen anderen Bildungskanal eingestellt. "Ich mag gerne Gerichtsshows", sagt sie. Direkt erstaunt ist man über diese Antwort der Oberstudienrätin, Philosophin, Bildhauerin, Ingenieurin für Architektur und Städtebau, examinierter Pflegedienstleiterin und exkommunizierter Bischöfin nicht. So ungewöhnlich ihre Vita ist, auf eines kann man sich verlassen: Forster ist immer für Überraschungen gut.

Jetzt hat sie also das letzte Drittel eines Hauses erworben, das sie bereits zum Großteil von ihrer Mutter geerbt hatte. Es ist ein schnuckeliger, ein wenig heruntergekommener Bau in Schlagenhofen (Inning) mit Seeblick, das der Schreinermeister Fritz Schmidhofer 1920 errichtet hatte. Forster selbst ist "sogenannte Urenkelin", sogenannt deswegen, weil auch ihre Vorfahren verworrene Lebensläufe hatten. Man denke an den sogenannten Stiefvater Franz, der nach seinem frühen Tod gleich zwei Verlobte hinterlassen hatte, eine davon war Gisela Forsters Mutter. Die Schatten der Vergangenheit hat Forster bei ihrer derzeitigen Ausstellung in ihrem neuen Kunsthaus wieder auferstehen lassen und in Beziehung zu Persönlichkeiten der Jetztzeit gebracht. Zimmer, Garten und sogar der Geräteschuppen sind in Forsters "Systemkunst" integriert.

150 Porträts hat die Künstlerin auf wasserfeste Hartfaserplatten gemalt und in verschiedenen Kategorien untergliedert. Die Besucher stoßen im Haus zunächst auf das Zimmer, in dem die Konterfeis der Familie aufgehängt sind über die Holztreppe steigt man unters Dach, wo einem das Gesicht des verstorbenen Stadtpfarrers Konrad Schreiegg entgegenlacht, Päpste, Reformatoren, Kirchenkritiker sind akkurat auf eine katholische und eine evangelische Seite geordnet. Es sind schnelle Porträts, die ein wenig an die Kunst der Straßenmaler interessieren. Gekonnt hat Forster die markanten Gesichtszüge monochrom skizziert. Manche Bilder wirken fast schon wie Karikaturen. In Forsters System hat jeder seinen eigenen Platz. Die Sensiblen wie Käthe Kollwitz und Beethoven, Verzweifelte wie Thomas Bernhard. Lustige wie Wildmoser, den Tiger Willi oder Loriot, Tragische, Verzweifelte, Helfer. Viele der Porträtierten kommen aus dem Landkreis wie Landrat Karl Roth oder die verstorbene Petra Schürmann, die einträchtig neben weltweit bekannten Persönlichkeiten wie Marilyn Monroe hängen.

In den halb zerfallenen Gartenschuppen hat Forster die Gescheiterten verbannt. Hitler, der Amokschütze Breivick, Fritzl, der seine Tochter im Gefängnis gehalten hat aber auch der Finanzkriminelle Madoff. Nach welchen Kriterien Forster ihre Modelle ausgesucht hat, ist einfach. Sie male einfach diejenigen, deren Ausstrahlung sie anspreche, sagt sie. So locker und unbeschwert, wie es auf den ersten Blick aussieht, war die Ausstellung dann aber doch nicht. "Zwischendrin wollte ich die Bilder auf den Komposthaufen bringen", steht Forster, denn immer wieder gab es neue Ideen für Porträts, das Ganze schien kein Ende zu nehmen wollen. Den Schlusspunkt hat sie dann ganz bewusst gesetzt. "Einmal muss Schluss sein, das ist wie bei einer Doktorarbeit", sagte sie. Und mit Doktorarbeiten hat die promovierte Philosophin Erfahrung.

Am Sonntag, 29. September findet wieder ein Tag der offenen Tür im Kunsthaus am Wörthsee, Grünbichl 23, Inning-Schlagenhofen, von 8 bis 18 Uhr, statt.

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SZ vom 26.09.2013
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