Inning:Ein Dorf im Ausnahmezustand

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren entzweit eine geplante Trasse in Inning die Gemeinde. Befürworter und Gegner arbeiten mit allen Mitteln und schenken sich nichts. Die Rede ist von "Skandal", "unlauteren Methoden", "Lüge" und "Betrug"

Von Astrid Becker, Inning

Die Emotionen schwappen über, die Nerven in der Gemeinde liegen blank. Vor dem Bürgerentscheid am Sonntag zum Thema "Entlastungsstraße" wird in Inning noch einmal massiv um die Stimmen der Wähler gebuhlt - mit zunehmend heftigeren Bandagen. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich schon jetzt eine recht hohe Wahlbeteiligung ab. Bis Mittwoch haben laut Bürgermeister Walter Bleimaier bereits mehr als 900 Bürger die Möglichkeit die Briefwahl genutzt. Das sind etwa ein Viertel aller Wahlberechtigten. Die Entscheidung könnte aber knapp ausfallen.

Konkret sollen die Bürger über folgende Frage abzustimmen: "Sind Sie dafür, dass der Bürgerentscheid vom 8. Dezember 2013 aufgehoben, die Staatsstraße 2067 aus der Ortsmitte von Inning gemäß bereits vorliegender Planung in den Westen verlegt wird und dass diese Planung von der Gemeinde sofort mit Nachdruck fortgeführt und dann auch unverzüglich umgesetzt wird?"

Und genau an dieser Frage scheiden sich in der Ammerseegemeinde nicht zum ersten Mal die Geister. Schon einmal, 2013, mussten die Bürger über die Trasse im Westen abstimmen - auf Basis eines Rats- und eines Bürgerbegehrens. Letzteres hatten damals die Gegner des Projekts, die Bürgerinitiative für Innings Zukunft (BIZ), angezettelt und mit einer deutlichen Mehrheit gewonnen. Diesmal sind es allerdings die Befürworter des Projekts vom Verein Pro Inning, die Unterschriften gesammelt und so den Weg für einen erneuten Entscheid in dieser Frage geebnet haben. Verwunderlich ist dies freilich nicht. Denn viele der Gallionsfiguren - unter den Befürwortern und den Gegnern gleichermaßen - sind von dieser Entscheidung ganz persönlich betroffen, weil sie entweder direkt an der Ortsdurchfahrt leben und darunter leiden, oder nun befürchten, in Zukunft statt auf grüne Wiesen auf eine Schnellstraße blicken zu müssen. Naturgemäß kochen gerade unter diesen beiden, persönlichen betroffenen Seiten die Emotionen besonders hoch. Die seit Monaten schwelenden Auseinandersetzungen in Inning in der Frage: Neue Straße - ja oder nein, gipfelten jüngst sogar in einem Eklat, der auf Außenstehende wie eine Schmierenkomödie wirken muss.

Pro und Contra zur Inninger Straßenplanung

Die Emotionen schwappen über, die Nerven in der Gemeinde liegen blank.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Eine kleine Bürgerinitiative, die sich erst vor kurzem rund um den Bauunternehmer Hermann Zima unter dem Namen "Unser Inning erhalten" formiert hatte, wollte die Bürger gegen das Projekt einnehmen, indem sie eine zu erwartenden höhere Lärmbelastung durch die Westtrasse ins Feld führte. Dafür zeigte sie auf ihrer Homepage, auf sozialen Medien und auch auf einem Flyer zwei Lärmbelastungskarten. Die eine stammte aus einem Lärmgutachten, mit dem die Gemeinde die Firma Accon beauftragt hatte. Die andere basierte auf eigenen Hochrechnungen von "Unser Inning erhalten" und trug die Überschrift: "Prognostizierte Lärmkarte nach dem Bau der Umgehungsstraße". Als Quelle unter den beiden Karten wurde unkorrekterweise jedoch nur die Lärmaktionsplanung der Firma Accon und deren Mitarbeiter Ralph Kempiak genannt.

Die Befürworter der Umgehung witterten darin einen Skandal. In diversen Veröffentlichungen - ob auf seiner Homepage, in seiner Informationsveranstaltung am vergangenen Freitag im Gasthof zur Post oder auch in einem Flyer - nannte der Verein Pro Inning dieses Vorgehen "Betrug" und "Fälschung". Die Rede war zudem von rechtlichen Schritten, die eingeleitet worden seien. Seine Argumentation stützte Pro Inning auf eine Mail von Ralph Kempiak, der als Mitarbeiter der Firma Accon das besagte Lärmschutzgutachten für die Gemeinde angefertigt hatte. Dieser hatte darin am Freitag das Vorgehen von "Unser Inning erhalten" noch als "kriminellen Akt in meinen Augen" bezeichnet und verkündet, die Firmenanwälte zu kontaktieren.

Pro und Contra zur Inninger Straßenplanung

Befürworter und Gegner der Umgehungsstraße liefern sich nicht nur Wortgefechte, sondern auch eine Auseinandersetzung mit Plakaten und Transparenten.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Deren Antwort allerdings dürfte die Aktivisten von Pro Inning nicht freuen: Die Firma Accon wird keine Strafanzeige erstatten und auch von privaten Schadensersatzforderungen absehen. Geschäftsführer Markus Petz dazu zur SZ: "Es handelt sich dabei nur um eine sogenannte schriftliche Lüge, die nicht strafbar ist. Bei einer Schadensersatzforderung käme wahrscheinlich ebenfalls nicht viel heraus, der Aufwand steht daher in keinem Verhältnis zum Nutzen." Zudem bescheinigte er auch Pro Inning, sich "unlauterer Methoden" zu bedienen, indem der Verein beispielsweise einen privaten Email-Verkehr "einfach so" veröffentliche: "Die sind ja auch nicht besser." Auch die Rechtsaufsicht des Landratsamts, die auf den Vorfall aufmerksam geworden war, sieht keinen Anlass einzuschreiten, wie die SZ bereits am Mittwoch berichtete.

Reagiert haben in der Zwischenzeit aber die Umfahrungsgegner von der BIZ und von den Grünen. Sie distanzierten sich klar vom Vorgehen von "Unser Inning erhalten", wenngleich die Prognosen in der umstrittenen Karte "sicher in die richtige Richtung gehen", wie beispielsweise BIZ-Gemeinderat Michael Buchner sagte. Hermann Zima von "Unser Inning" wiederum gab zu, eigene Hochrechnungen zum Lärm zusammen mit seiner Werbeagentur angestellt zu haben, nicht aber in der Absicht, Wähler mit einer unzureichenden Quellenangabe in die Irre führen zu wollen. Er hatte das Material sofort aus dem Internet genommen. Vorhanden ist es unterdessen aber noch auf der Seite "In und aus Inning" einer Befürworterin der Entlastungsstraße, Sabine von Kesselstatt. Sie war es dem veröffentlichten Mailverkehr zufolge auch, die die Firma Accon als erste auf Zimas Kartenquelle aufmerksam machte.

Bürgermeister Walter Bleimaier wirkt indes wenig erfreut über diese ganze Angelegenheit. Er, der bis zum Entscheid 2013 als Straßenbefürworter aufgetreten war, bescheinigt allerdings einer Gruppierung, diesmal einen einigermaßen sachlichen Wahlkampf zu führen: den Straßengegnern von der BIZ.

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