Natur am Ammersee:Der Wald als Fabrik

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Der Forst war nicht immer der mystische Ort, an dem Menschen im Grün baden - sondern ein Ort harter Arbeit und Ausbeutung. Zeitweise war sogar das Aufstellen von Maibäumen verboten, wie der Inninger Ortshistoriker Robert Volkmann nachzeichnet. Viele Probleme sind mehr als 100 Jahre alt.

Von Patrizia Steipe, Inning

Als Kind durfte Robert Volkmann gelegentlich mit den größeren Buben in den Wald. "Dort schnitten sie die Rinde von großen Fichtenstämmen mit Beilen an und holten ein paar Tage später mit Messer oder Schabereinsatz das gelblich schimmernde und furchtbar klebrige Harz", erzählt der 72-Jährige. Das Harz habe der Metzger bei der Hausschlachtung verwendet, um Schweineborsten von der Schwarte zu lösen. An Fichten "gepechelt" wird heute zwar nicht mehr, aber Volkmann sieht immer wieder angezapfte Birken in den Wäldern seiner Heimat. Dem Birkenwasser werden Heilkräfte zugeschrieben.

Viele Jahrzehnte hat der Ortshistoriker Volkmann den Wald vor seiner Haustür in Schlagenhofen beobachtet. Das Jetzt hat der ehemalige Geschichtslehrer mit dem Einst ergänzt. Herausgekommen ist ein Sonderheft der Inninger Geschichtsblätter des Heimatgeschichte-Vereins mit dem Titel "Wald und Holz - Bluembesuch, Dechel, Pechler und die Holznot".

In früheren Zeiten habe es am Ammersee keine besonders dichten Wälder gegeben. "Ältere Mitmenschen berichten gelegentlich noch, ihre Großeltern hätten ihnen erzählt, diese hätten auch aus den östlichen Ammerseedörfern von fast überall aus nach Andechs und ins Gebirge gesehen - weil es kaum sichtbehindernden Hochwald bei uns gegeben hat", so Volkmann.

Holz war im "hölzernen Zeitalter" bis 1800 der Universalwerkstoff schlechthin. "Ohne Holz kein Haus, kein Feuer, kein Wagen, kein Pflug oder anderes ländliches Werkzeug." Gewaltige Mengen wurden aus den "damals schon recht mageren Waldungen" geholt, so Volkmann. Um den Holzverbrauch zu reglementieren, erließ Herzog Albrecht 1565 eine "Vorstordnung". Damals waren mächtige Eiben, die bis zu 3000 Jahre alt werden können, sehr begehrt, um aus dem harten und gleichzeitig elastischen Holz Bogenwaffen herzustellen. Heute steht die Eibe auf der Roten Liste gefährdeter Pflanzen.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Von wegen Entspannung - der Wald war früher ein Ort harter Arbeit: Wiedendreher drehen aus Ästen Seile für die Flößerei.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Pechler gewinnen das klebrige Baumharz.

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(Foto: Arlet Ulfers (Repro)/Inninger Geschichtsblätter)

"Kulturfrauen" waren einst als Waldpflegerinnen allgemein bekannt.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Die Schwellensäger leisteten Schwerstarbeit.

Holz wurde in der Zeit vor dem Eisenbahnbau mit Flößen über Ammer und Amper transportiert. Im Buch sieht man ein Foto des "Saliterhauses" in Inning. Im 17. Jahrhundert stellte der Saliter in seiner Salpetersiederei Kaliumnitrat für Schwarzpulver her. Auch die Pottascherer, Färber, Seifensieder, Köhler, Kalk- und Ziegelbrenner brauchten Brennholz und der Pechler gewann Harz aus Baumrinden, um daraus Pech zum Abdichten zu gewinnen.

Wegen der Holznot wurde 1781 in manchen Orten sogar das Aufstellen von Maibäumen "bei schwerer Strafe" verboten. Von 1791 an sollten die Erdgeschosse aller Häuser in Stein und Ziegel errichtet und Dächer mit Ziegeln statt mit Schindeln gedeckt werden.

Das Laub der Wälder wurde als Einstreu, Viehfutter oder als "Bettlaub" verwendet. Bis in den Zweiten Weltkrieg wurden Matratzen und Decken mit Buchenlaub gestopft, berichtet Volkmann. Fotos zeigen alte Frauen mit unfassbar großen Bündeln an Reisig in Kraxen. Auch ein "Erlaubnisschein zum Leseholz-Sammeln" vom Revierförster ist zu sehen. "Holzlesescheine" stellen die Seefelder Forsten übrigens heute noch aus. Vieh wurde einst zum Fressen in den Wald getrieben: "Waldweide" nannte man das. Erst der Anbau von Futterpflanzen Ende des 18. Jahrhunderts bewirkte die Trennung der Bereiche Wald und Weide. Viele Begriffe von damals sind heute vergessen. Hinter einem "Bluembesuch" verbirgt sich beispielsweise die Weidung der Tiere im Wald, beim "Decheln" wurden Schweine in den Wald getrieben, um sie mit Eicheln zu mästen.

Riesige Wildbestände waren früher schon ein Problem. Da gab es den Adel, der das Jagdprivileg hatte und auf der anderen Seite die Bauern, die Felder vor Wildschäden schützen wollten und auch gerne Wildbret verspeist hätten. Wilderei wurde aber streng bestraft. Aus den Gerichtsakten zitiert Volkmann, dass 1883 der Gütler Josef Pittrich aus Inning "wegen 2 Vergehens des Jagdfrevels...je 5 Wochen, zusammen 2 Monate Gefängnis" als Strafe bekam. Ein Inninger Maurer wird ein Jahr später wegen "Schlingenlegens" zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

Der Schlagenhofener Ortshistoriker Robert Volkmann untersucht in den "Inninger Geschichtsblättern" die Nutzung des Forsts. (Foto: Arlet Ulfers)

In der Industrialisierung wurden Fichtenwälder aufgeforstet, um die gerade gewachsenen Stämme als Bauholz zu verwenden. Vielerorts wurden deswegen Eichen und Buchen abgeholzt. Und auch die Schädlinge sind kein Phänomen der Jetztzeit. Mehr als ein Drittel der Gesamtfläche an Wald vernichtete Mitte der 1890er-Jahre der Kiefernspanner. Auch der Borkenkäfer taucht Ende des 18. Jahrhunderts auf.

Heute soll der Waldumbau die Wälder stark genug machen, um dem Klimawandel zu trotzen. Die Orkane Vivian und Wiebke fällten 1990 große Waldflächen. In Inning wurde mit großen Geräten Mischwald nachgepflanzt. Die Holzarbeit ist dank moderner Geräte einfacher geworden. Laub und Äste lassen die Spaziergänger heute liegen. Sie genießen lieber die Atmosphäre beim Waldbaden, hat Volkmann beobachtet. Im grünen Schein, bei gedämpftem Licht und frischer, kühler Luft gesundeten Menschen schneller, sagt er. Skeptikern empfiehlt er: "Rausgehen, selber schauen und riechen und hören und..."

Das Buch ist gegen eine Spende von zwölf Euro in Inning bei Schreibwaren Schroeren, im Café Huttner, beim Bachwirt (Athina), bei Optik Wittenberger sowie bei volkmannrobert@web.de und jutta@goebber-inning.de erhältlich.

© SZ vom 11.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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