Süddeutsche Zeitung

Prozess in Starnberg:Wenn der Nachbar mit Mord droht

Wegen eines abgedeckten Kellerschachts eskaliert ein Konflikt zwischen zwei Inningern. Der Angeklagte spricht von einem "dummen Zufall" - und kassiert eine Geldstrafe.

Von Christian Deussing, Inning

Sichtlich erregt sitzt der Mann auf der Anklagebank, schüttelt oft den Kopf und spricht von einem "dummen und blöden Zufall", der ihm leid tue. Im Starnberger Amtsgericht geht es um einen nachbarschaftlichen Konflikt und einen abgedeckten Kellerschacht in Inning. Doch schon zuvor muss sich bei dem angeklagten Mieter und dem Hauseigentümer von nebenan einiges an Ärger aufgestaut haben. Denn vor fünf Monaten geriet der 59-jährige Mieter in Rage und rief nachmittags aus seinem Fenster hinüber: "Arschloch, Nazischwein und Kinderficker." Laut Strafbefehl hatte der Inninger dabei auch dem 72-jährigen Nachbarn gedroht, seine Kehle durchzuschneiden. Dafür sollte der Angeklagte 2400 Euro zahlen, was er aber verweigerte.

Durch "das Internet" und eine schlaflose Nacht sei er "gestresst und geladen" gewesen

"Von meinem Fenster aus blicke ich nur auf eine rote Mauer, ich konnte den Nachbarn gar nicht sehen", behauptete der derzeit Arbeitslose. Er räumte aber in der Verhandlung ein, damals durch das Internet und eine schlaflose Nacht "gestresst und geladen" gewesen zu sein. Nach dessen Aussage wurde auch der betroffene Nachbar als Zeuge vernommen. Er habe sich erlaubt, den Kellerschacht abzudecken, damit es dort nicht hineinregne, sagte der Rentner. Er sei in dem Moment wohl damals nicht bemerkt worden, doch die Schimpftirade und Bedrohung sei eindeutig auf ihn gemünzt gewesen. Der 72-jährige hatte es deshalb mit der Angst bekommen. Wegen der Morddrohung zeigte er den Mieter bei der Polizei an. "Denn der hatte mir auch gedroht, rüberzukommen und mir die Kehle durchzuschneiden", sagte der Rentner.

Der beschimpfte Hauseigentümer habe die Bedrohung ernst genommen - und auch dessen Frau sei ängstlich geworden, betonte die Staatsanwältin. Der Vorfall am Fenster habe jedoch eine "gewisse Vorgeschichte", bei der sich auch der Bedrohte recht provokativ verhalten habe. Auch der Amtsrichter sagte, dass der 72-jährige Inninger "kein einfacher Gesprächspartner" sei, was sein selbstgerechter Auftritt im Prozess bestätigte. Allerdings hätte der Angeklagte an dem Nachmittag damit rechnen müssen, dass der Nachbar unten auf seinem Grundstück stehen könnte.

Das Gericht nahm auch an, dass es dem Rentner nach diesem Vorfall noch immer unheimlich sei. Der Angeklagte, der zurzeit über kein Einkommen verfügt, wurde schließlich zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. Der 59-Jährige nahm die Strafe an und schien erleichtert zu sein, dass diese Sache nun wohl aus der Welt ist.

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