Inning:Abgerockt bis zur Ekstase

Inning Spectacel: Andy Susemihl

Guter alter Rock: Gitarrist Andy Susemihl und Schlagzeuger Markus Hassold im Spectacel.

(Foto: Nila Thiel)

Gitarrist Andy Susemihl mit "Superfriends" im Spectacel

Von Reinhard Palmer, Inning

Das sind schon besondere Momente, wenn nach einem Break die Fender- oder Gibson-Gitarre ein kerniges Solo in den Nachhall schickt und dann mit einigen Donnerschlägen das Schlagzeug mit grollendem Bass den Groove wieder aufnimmt. Oder wenn ein klangsatter Gitarrenteppich mit vibrierendem Hall über dichtem Puls einen weitschweifenden, kratzigen Balladengesang mit Backgroundstimme schweben lässt. Das geht schon durch Mark und Bein, erst recht bei ohrenbetäubender Lautstärke, die jedes andere Geräusch verschluckt und das Inninger Spectacel zum Beben bringt. Der gute alte Rock hat nichts an seinem Reiz verloren. Vor allem, wenn er aus Überzeugung und so aufrichtig daherkommt, wie ihn der Gitarrist Andy Susemihl mit seinem Trio zum Allerbesten gab.

Es mag sein, dass Ozzy Osbourne, Guns'n'Roses oder Deep Purple, mit denen Susemihl schon auf der Bühne stand, nur noch der älteren Generation bekannt sind, die mittlerweile zusammen mit den Musikern grau geworden ist. Dennoch ist die Musik, die sich Susemihl, Bassist Andi Kemmer und Drummer Markus Hassold von der Seele spielten, so frisch und unverbraucht wie einst, als noch der dicke Qualm in den Clubs nach Cannabis roch und die Musiker bisweilen jede Menge Alkohol in sich hineinschütteten.

Das hat sich natürlich längst geändert. Der Qualm hat sich verzogen, und die einstigen bösen Buben auf der Bühne trinken heute Tee aus der Thermoskanne. Die besondere Atmosphäre blieb dennoch, weil sie einzig der Musik geschuldet ist - bis hin zur Ekstase.

Was wiederum nicht heißen soll, dass sich die Musiker nicht weiterentwickelt hätten. Schließlich hat sich seit dem Höhenflug der Rockmusik so einiges getan. Auch das Superfriends-Trio versteht es, Funk, Psychedelic, Elektro und Metal geschickt zu nutzen, jedem Song eine besondere Färbung zu verleihen und ihn ins passende Ambiente zu versetzen. Da half auch etwas Elektronik neueren Datums nach, die vor allem Bassist Kemmer maßvoll einzusetzen verstand.

Kein Selbstzweck also, sondern vielmehr gezielt austarierte Klangszenarien, die dem Trio schon mal ein orchestrales Volumen geben konnten. Und das war eine besondere Qualität der Band: satter, plastischer Klang mit einem mächtigen Fundament, das aber nicht gleich alles zudröhnte, sondern vielmehr über Flageoletts Klanglandschaften ausbreitete oder dem Sound handfeste Plastizität verlieh. Letzteres vor allem, wenn Kemmer seinen mit vier Doppelsaiten (oktaviert) bespannten Ibanez-E-Bass zum Einsatz brachte und etwa in "Odyssey" einen imposanten Klangraum öffnete.

An Schärfe fehlte es aber auch nicht. Hassold sorgte für eine unaufhaltsame Schlagzeugmaschinerie, so präzise wie die Schweizer Uhren und so zuverlässig wie die S-Bahn-Verspätungen. So richtig drauflosdonnern konnte er raumbedingt wohl nicht, doch die Schlagzeugintro zum abschließenden "Stratus" samt Kemmers mit einem Stimmsynthesizer verfremdeten Scat-Gesang - ein Zitat der Band Kraftwerk inbegriffen - lieferte zweifelsohne einen weiteren Höhepunkt im Programm. Nach dem psychedelischen "Personal Jesus" von Depeche Mode, der packenden Blues-Ballade "Last Frontier" und der rasanten Funk-Nummer "Kiss me on the fly" legte vor allem Susemihl noch einmal entfesselt los. Der Gitarrenzauberer hat schon eine Menge Spielarten auf Lager, bis hin zu packenden Riffs und lässigem funky Anschlag.

Woran man sich aber kaum satt hören konnte, waren in erster Linie seine melodiösen, von Staccato-Anläufen kontrastierten Soli mit weit gezogenen, vibrierenden Haltetönen bis in die höchsten Lagen. Emotional immer von höchster Intensität und tief an der Seele packend. Den berühmten Gitarrensoli der Rockgeschichte standen seine Alleingänge wohl in nichts nach. Und im letzten Song sollte die Ekstase nicht ausbleiben und noch zwei Zugaben nach sich ziehen.

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