Sport:Der segelnde "Dottore Amore"

Sport: Ingo Ehrlicher startet für den Bayerischen Yachtclub am Starnberger See.

Ingo Ehrlicher startet für den Bayerischen Yachtclub am Starnberger See.

(Foto: Nila Thiel)

Ingo Ehrlicher vom Bayerischen Yachtclub gewinnt in der Drachenklasse den Deutschen Meistertitel und erfüllt sich damit seinen größten Traum.

Von Carolin Fries

Er war schon oft nah dran gewesen, diesmal sollte es endlich klappen mit dem Deutschen Meistertitel im Drachensegeln. Also wies Ingo Ehrlicher seine Crew auf der letzten Wettfahrt am Bodensee an: "Jetzt müssen wir zaubern, Jungs!" Und so zauberten Thomas Auracher und Malte Philipp also - und erfüllten ihrem Steuermann seinen größten Wunsch. "Ich war überglücklich, auch erleichtert", erinnert sich der 53-Jährige vom Bayerischen Yachtclub (BYC). Es gab ein rauschendes Fest, aus dem silbernen Wanderpokal wurde gläserweise Gin Tonic geschöpft.

Sport: Der Wanderpokal der deutschen Drachensegelmeister.

Der Wanderpokal der deutschen Drachensegelmeister.

(Foto: Nila Thiel)

Drei Wochen ist das jetzt her, und Ingo Ehrlicher strahlt noch immer, während er im Clubhaus vom größten Erfolg seiner sportlichen Karriere erzählt. Vor den Fenstern liegt der Starnberger See gelangweilt vor dem eingetrübten Alpenpanorama, die meisten Boote sind schon eingewintert. Auch sein Kunststoff-Schiff, die "Dottore Amore", steht bereits in der Halle. Der "Dottore" muss wieder arbeiten: Ingo Ehrlicher ist Zahnarzt im fränkischen Pappenheim und hat dort gemeinsam mit seiner Frau eine Praxis. Die "Amore" zum Segeln muss bis zum Frühjahr warten. Der Sonne und dem Wind im Winter hinterher reisen, das macht er nicht. "Im Sommer ist Segeln angesagt, im Winter Skifahren." Ehrlicher ist Hobbysportler. Dass er heuer überhaupt so viel am Wasser habe sein können, verdanke er seiner Frau. "Sie hat daheim die Praxis und den Haushalt geschmissen." So konzentrierte sich Steuermann Ehrlicher in dieser Saison mehr denn je auf die großen Regatten. Sowohl bei der Europameisterschaft als auch bei der Weltmeisterschaft belegte er Platz vier - die Corona-Pause hatte Profis und Amateure im Teilnehmerfeld noch enger zusammengebracht.

Sport: Ingo Ehrlicher mit Thomas Auracher und Malte Philipp auf seiner "Dottore Amore" bei der Deutschen Meisterschaft am Bodensee.

Ingo Ehrlicher mit Thomas Auracher und Malte Philipp auf seiner "Dottore Amore" bei der Deutschen Meisterschaft am Bodensee.

(Foto: privat)

Ehrlicher segelt seit seiner Kindheit, "mein Vater hat mich an den Drachen herangeführt", erzählt er. Das meistgesegelte Kielboot gilt als "Bugatti der Meere". Ein eleganter neun Meter langer Klassiker mit Großsegel und Vorsegel, den man im Wettkampf mit zwei Vorschotern segelt. Der Name Drachen stammt angeblich von einer wörtlichen Übersetzung des Konstrukteur-Namens "Anker" ins Norwegische "Draggen", bis 1972 war die Bootsklasse olympisch. Die größte Flotte in Deutschland liegt am Starnberger See. Hier hatte auch Ehrlichers Vater sein Boot, das der Sohn später erben sollte. Nicht nur deshalb spricht der 53-Jährige von einem "Mehrgenerationenboot": "Ich bin es mit meinem Vater ebenso gesegelt wie mit meinen Söhnen." Die 15 und 18 Jahre alten Jungs segeln auch im BYC in Starnberg, wenn auch vorzugsweise noch in der jugendlichen 420er-Klasse. Gelegentlich vervollständigen sie die Crew ihres Vaters.

Sport: Ingo Ehrlicher segelt seit seiner Jugend am Starnberger See.

Ingo Ehrlicher segelt seit seiner Jugend am Starnberger See.

(Foto: privat)

Gewöhnlich aber sitzt Thomas Auracher vom BYC bei Ehrlicher in der "Dottore Amore", und auch Taktiker Malte Philipp aus Rostock gehört zum festen Team. Als "unglaublich erfahrene Segler" beschreibt Ehrlicher die Männer, die bereits beide diverse Titel auf dem Wasser gewonnen haben. "Wir sind eine eingespielte Truppe", sagt er. Sein Job sei es, "Ruhe reinzubringen". Na ja und eben "das Boot so zu steuern, dass es schnell ist". Vor Überlingen am Bodensee wehte der Wind mit Ausnahme des ersten Wettkampftages nie unter zwölf Knoten - und genau so, wie Ehrlicher es mag: löchrig und ständig drehend. "Damit kommen die Segler aus dem Süden meist besser klar als mit Wellen." 45 Boote waren an den Start gegangen, mitunter hochrangig besetzt. Eine Herausforderung, die Ehrlicher ganz besonders schätzt: "Dass man als Amateur gegen dreifache Weltmeister antreten kann, das gibt es in keiner anderen Sportart." Im kommenden Jahr will Ehrlicher den Deutschen Meistertitel in Travemünde verteidigen, weiter denkt er noch nicht.

Wie viel Zeit wird im kommenden Jahr fürs Segeln bleiben? Der 53-Jährige ist ja auch noch Vorstand im Pappenheimer Tennisclub. Wie oft wird er sich freitagmittags, wenn die Praxis in Pappenheim schließt, ins Auto setzen können, um zwei Stunden später am Starnberger See sein Boot aufzubauen? Das wird die entscheidende Frage sein. Die nach dem Warum stellt er sich nicht. "Das Wasser gleicht mich aus", sagt er. Am See könne er den Praxisstress vergessen, hier komme er zur Ruhe. Es müsse auch nicht immer eine Regatta sein: "Mal gemütlich runter nach Seeshaupt und zurück, auch schön!" Doch jetzt freut er sich erst einmal auf den Winter und das Skifahren. "Das mag ich fast noch lieber als Segeln."

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