Süddeutsche Zeitung

Infrastruktur in Starnberg:Tunnelbau ohne Ende

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Das jahrzehntelang umstrittene Projekt gilt als bislang größtes in der Geschichte der Stadt. Mittlerweile haben sich die Kosten dafür nahezu verdoppelt, die Fertigstellung verzögert sich weiter. Was Raphael Zuber vom Staatlichen Bauamt Weilheim dazu sagt

Interview von Peter Haacke, Starnberg

Der geplante B 2-Tunnel in Starnberg bewegt weiterhin die Gemüter. Nach mehr als drei Jahrzehnten erbittert geführten politischen Streits um Tunnel oder Umfahrung entschied sich der Stadtrat in einer legendären Sitzung in der Nacht zum 21. Februar 2017 für den Bau des Tunnels und die Prüfung einer Umfahrung. Seit dem offiziellen Spatenstich im Juli 2018 hat das Staatliche Bauamt Weilheim als Bauherr der 1,9 Kilometer langen Unterführung, die Starnberg von täglich rund 18 000 Fahrzeugen befreien soll, diverse Vorbereitungsarbeiten für das Jahrhundertbauwerk geleistet. Doch der Sachstand änderte sich seither: Die ursprünglich genannte Bausumme von 162 Millionen Euro hat sich nahezu verdoppelt auf 320,5 Millionen, ein Änderungsverfahren zur Planfeststellung, um die Planungen an aktuelle Regelwerke anzupassen, erfordert eine Anpassung des Zeitplans. Fest steht: Eine Verkehrsfreigabe des Bauwerks 2026 ist unwahrscheinlich. Wie es nun weitergeht mit dem Starnberger Tunnelprojekt, wollte die SZ von Bauoberrat Raphael Zuber, Leiter der Tunnelbauabteilung im Staatlichen Bauamt Weilheim, wissen.

SZ: Der B2-Tunnel in Starnberg gilt als bislang größtes, anspruchsvollstes und längstes Bauvorhaben der Kreisstadt. Im Juli 2018 erfolgte der Spatenstich, seither wurde vor allem am Nord-Zulauf gearbeitet. Wie ist der aktuelle Stand?

Raphael Zuber: Neben den Arbeiten am Nordzulauf muss man die Planungsoptimierungen seit 2018, die nun in eine nahezu fertig erstellte Ausschreibung münden, in den Vordergrund rücken - vor allem im Hinblick auf die Sicherheitseinrichtungen. Da hat sich viel bewegt. Wir sind beim Nordzulauf kurz vorm Abschluss.

Der Starnberger Untergrund ist sehr anspruchsvoll und birgt zuweilen Überraschungen. Was waren aus Sicht des Staatlichen Bauamtes die bislang die größten Herausforderungen und Schwierigkeiten?

Die Herausforderung in Bezug auf den Untergrund ist vor allem der Seeton im Bereich des Nordportals. Da haben wir im Vorjahr das Düsenstrahlverfahren durchgeführt mit sehr positiven Ergebnissen. Die größere Herausforderung aber war im Hinblick auf das Gesamtprojekt die politische Lage in Starnberg vor 2020: Da hat sich viel getan. Wir können jetzt in laufenden Abstimmungen mit der Stadt und den Behörden im Rahmen der Arbeitskreise viel erreichen und Ergebnisse erzielen, die in die Ausschreibungen einfließen können.

Im Zuge des Planänderungsverfahrens für den Tunnel, das Verbesserungen für die Rettungskräfte mit sich bringt, sind zwar grundsätzliche Entscheidungen gefallen, doch eine Genehmigung durch die Regierung von Oberbayern steht noch aus. Woran liegt es? Und wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Das muss man etwas trennen. Bei den Sicherheitseinrichtungen - Aufzugsanlagen, Aufstellflächen, Brandbekämpfungsanlage - lag die Entscheidung beim Bund. Da liegt uns nun aber eine genehmigte Kostenfortschreibung des Bundes vor. Baurechtlich gesichert werden müssen noch die Optimierungen im Rahmen des Planänderungsverfahrens. Hierzu liegen knapp 60 Einwendungen vor, zu denen das Staatliche Bauamt bereits Stellung genommen hat. Es gibt noch einen Nachläufer durch das Wasserwirtschaftsamt zum Thema Wasser, da sind wir gerade in der Abstimmung. Die weiteren Schritte folgen durch die Regierung von Oberbayern. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr einen Planänderungsbeschluss bekommen.

Unter der Voraussetzung, dass es vorerst keine Entscheidung gibt: Ist das Projekt dann gestoppt und das Staatliche Bauamt zumindest beim B 2-Tunnel arbeitslos? Welche Folgen könnte die Verzögerung für den weiteren Bauablauf haben?

Auf gar keinen Fall sind wir arbeitslos. Wir gehen einen Meilenstein nach dem anderen an. Für 2022 stehen die Finalisierung der Ausschreibung und der Abschluss im Nordzulauf an. 2023 müssen wir die Eisenbahnüberführung angehen, bevor wir mit dem Tunnel baulich starten, zumal wir dann gewisse Einschränkungen auf der B 2 haben. Und wir müssen Baufelder freimachen und Sparten verlegen. Der Tunnelbau ist auf keinen Fall gestoppt.

Die ursprüngliche Kostenplanung für den Entlastungstunnel aus dem Jahr 2017 mit knapp 200 Millionen Euro ist überholt, mittlerweile rechnet man mit 320,5 Millionen. Was hat das Projekt derart verteuert, was wird es am Ende tatsächlich kosten?

Hauptgrund sind unter anderem allgemeine Baupreissteigerungen, das sieht man ja auch an anderen Infrastrukturprojekten. Zudem verzeichnen wir einen massiven Anstieg der Grundstückspreise gerade in Starnberg und zusätzliche Forderungen der Stadt wie Aufzugs- und Brandbekämpfungsanlagen. Und wir haben fortschreitende Regelwerke mit erhöhten Anforderungen, die wir ebenfalls berücksichtigen mussten.

In Berlin wird aktuell über eine Regierungskoalition verhandelt. Die Grünen haben vorab bereits angekündigt, alle großen Verkehrsprojekte des Bundes auf den Prüfstand stellen zu wollen. Steht das Verkehrsministerium dennoch weiterhin zu seiner Finanzierungszusage oder müssen die Starnberger damit rechnen, dass das Projekt womöglich eingestellt wird?

Zur Regierungskoalition kann ich natürlich nichts sagen, aber auf Verwaltungsebene stehen wir in Verbindung mit dem Bundesverkehrministerium und alle Signale stehen auf Bau. Der Bund hat bereits mehr als 25 Millionen Euro investiert, wir haben eine genehmigte Kostenfortschreibung über 320 Millionen - und damit steht der Bund weiterhin hinter dem Projekt.

In der Bevölkerung gibt es teilweise weiterhin massive Vorbehalte gegen den Tunnel. Abgesehen von der Vermutung, dass der Tunnel verkehrstechnisch keine Entlastung bringt, bestehen Befürchtungen, die Veränderungen an den unterirdischen Wasserläufen könnten zu nachhaltigen Schäden an Immobilien führen. Was ist dran an diesen Bedenken?

Die unterirdischen Wasserläufe werden über insgesamt fünf Düker-Anlagen erfasst und Aufstauungen damit verhindert. Der Grundwasserstand gleicht sich damit auf beiden Seiten des Tunnels aus, das Wasser wird um die Röhre herum geleitet. Das sind Standard-Bauwerke, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Daher erachten wir Bedenken gegen die Düker als unbegründet. Dazu gibt es auch einen Info-Flyer vom Staatlichen Bauamt.

Wie ist der weitere Fahrplan, was ist konkret für das Jahr 2022 geplant? Und wann kommt die Tunnelbohrmaschine?

2022: Fertigstellung Nordzulauf, Bauvorbereitung für die Bahnbrücke, Spatenverlegungen und provisorische Parkplätze am McDonald's, Spatenverlegungen im Bereich des Nordportals, Verlegung der Mittelspannungsleitung und vermehrt Grunderwerb sowie Grunddienstbarkeiten. Die Tunnelbohrmaschine ist Teil der Gesamtausschreibung. Die wird erst veröffentlicht, wenn das Baurecht vollständig vorliegt und ist abhängig vom Planänderungsverfahren. Die Ausschreibung dauert etwa ein halbes bis dreiviertel Jahr, der Bau des Tunnels etwa sieben Jahre.

Eine besondere Herausforderung dürfte der Umbau der Bahnbrücke über die Bundesstraße sein. Wann fällt hierzu der Startschuss, und was erwartet Autofahrer und Bahnreisende in dieser Projektphase?

Der Umbau der Bahnbrücke erfolgt durch die Deutsche Bahn und ist auch schon terminiert auf Frühjahr bis Ende 2023. Das wird natürlich Einschränkungen im Bahnverkehr mit sich bringen, und im kleineren Zeitraum für ein paar Tage auch auf der B2. Irgendwann muss das Bauwerk ja abgebrochen und das neue eingehoben werden. Die Sperrungen werden bekannt gegeben, sobald der konkrete Bauablaufplan vorliegt.

Die Verkehrsfreigabe für den B 2-Tunnel war einmal für das Jahr 2026 geplant, der Terminplan ist längst überholt. Sollte die Regierung von Oberbayern die Planänderungen demnächst genehmigen, dürfte der Tunnel frühestens 2030 fertiggestellt sein. Ist das realistisch?

Wir nennen momentan keinen Endzeitpunkt, weil wir vom Planänderungsverfahren, aber auch von einem möglichen Klagerisiko abhängig sind. Wenn wir starten können, läuft die Ausschreibung. Sobald die erfolgreich vergeben wurde, rechnen wir von da an mit sieben Jahren Bauzeit.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2021
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