Süddeutsche Zeitung

Immobilien:In Starnberg können selbst Manager sich nur noch ein Reihenhäuschen leisten

Und der Garten ist so groß wie ein Handtuch, sagt der Chef des Gutachterausschusses im Landkreis. Die Preise erreichen selbst hier neue Rekorde.

Von David Costanzo

Der Immobilienbericht des Landkreises dürfte eigentlich nur zwei Kategorien umfassen - Luftschlösser und Wolkenkuckucksheime. Denn die Studie ergründet etwas Irreales. Sie versteht sich als Marktbericht für Grundstücke, Häuser und Wohnungen. Aber: "Es gibt keinen Markt mehr", spitzt Dieter Sinning zu, Vorsitzender des Gutachterausschusses und damit verantwortlich für den Immobilienbericht. "Der ist leergelutscht."

Im vergangenen Jahr wechselten nur 1274 Objekte den Besitzer, so wenige waren es in den vergangenen zehn Jahren nicht - und da ist noch jede Garage, jedes Wochenendhäuschen und jeder Acker eingerechnet. Der Stillstand liegt nach Meinung Sinnings an Eigentümern, die ihre Immobilien halten, weil diese bald 30 Prozent mehr wert seien. Und an zögerlichen Käufern: Wenn sich selbst Führungskräfte aus der Wirtschaft nur noch Reihenhäuschen mit einem "Handtuchgrundstück" von 120 Quadratmetern leisten können, sei es "nicht das, was sich mancher vorstellt". Alles, was in den vergangenen Jahren nicht verkauft worden und am Markt noch übrig sei, sagt der Vorsitzende, sei "schlecht oder teuer".

Apropos teuer: Die Immobilienpreise erreichten im vergangenen Jahr einmal mehr bislang ungekannte Höhen. Während sie in sämtlichen Kategorien bis vor sieben, acht Jahren relativ konstant waren, haben sie sich seitdem praktisch verdoppelt. Ein Überblick:

Einfamilienhäuser

Nur 204 Objekte wechselten im vergangenen Jahr den Besitzer. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus blätterten Käufer fast 1,2 Millionen Euro hin - je nach Lage, Grundstück und Zustand können die Summen aber auch deutlich steigen. Vor zwei Jahren lag der Preis noch knapp unter einer Million. "Der Trend geht zum hochpreisigen Einfamilienhaus - Villa oder Landhaus", heißt es im Immobilienbericht.

Die teuerste Villa "in sehr schöner Lage am Starnberger See" kostete zwischen 25 und 30 Millionen Euro, weitere Angaben wollte Jennifer Reichrath vom Gutachterausschuss nicht machen - Diskretion gehört zum Geschäft. Die Experten wollen nun die Preisstaffel in der Auswertung ändern, weil "unter einer Million gar nichts mehr geht", wie Sinning sagt. Die wenigen Verkäufe unter der Marke sollen zusammengefasst und die vielen darüber differenzierter dargestellt werden.

Doppelhaushälften

In diese Kategorie zählt der Vorsitzende auch Reiheneckhäuser, weil die Bewohner einen vergleichbaren Wohnwert genießen können - und weil die Preise vergleichbare Höhen erklommen haben. Fast 900 000 Euro wurden im Schnitt des vergangenen Jahres für die 163 verkauften Objekte fällig. Doch auch die Preise für Doppelhäuser entschweben in die Siebenstelligkeit: Während in den Jahren 2010 bis 2011 die Millionenmarke nur zweimal geknackt wurde, kostete im Zeitraum 2016 bis 2017 schon jedes vierte Doppelhaus mehr als eine Million Euro.

Reihenmittelhäuser

Die Millionenmarke ist nun auch in dieser Kategorie geknackt: Im jüngsten Untersuchungszeitraum 2016 bis 2017 verzeichnete der Gutachterausschuss zwei Deals im siebenstelligen Bereich. Im Schnitt schlugen Reihenmittelhäuser mit etwa 650 000 Euro zu Buche. Diese Kategorie mit den kleinsten Grundstücken ist in den dörflichen Gemeinden kaum zu finden. Der Großteil der zuletzt 40 Verkäufe fand sich in Starnberg, Gilching und Herrsching.

Eigentumswohnungen

Sie kosteten im Neubau mehr als 7000 Euro pro Quadratmeter, gebrauchte Wohnungen etwa 4500 Euro. Im vergangenen Jahr wurden 342 Verkäufe aktenkundig - der niedrigste Wert der vergangenen fünf Jahre. Noch dazu treibt der Bau einer großen Seniorenwohnanlage in Gilching die Zahlen hoch. Die Experten haben auch ausgerechnet, um wie viel günstiger eine vermietete im Vergleich zu einer freien Wohnung kommt - bei einer Fläche von 71 bis 90 Quadratmetern macht dies etwa 13 Prozent aus. Nach Darstellung des Gutachterausschuss-Vorsitzenden werde die Geldanlage immer wichtiger.

Bauland

Angehende Häuslebauer mussten für Grundstücke in den Hauptorten der Gemeinden etwa 1300 Euro pro Quadratmeter zahlen, in den ländlichen Ortsteilen etwa 800 Euro - sofern noch Grundstücke zu finden waren.

Solche Summen mögen irreal erscheinen, die Mittelwerte errechnen sich jedoch aus den tatsächlichen Verkaufspreisen. Die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses im Landratsamt schreibt alle Verkäufer und Käufer mit einem Fragebogen an, mehr als 90 Prozent antworten. Zusammen mit den ehrenamtlichen Mitgliedern und Sachverständigen erstellen die Mitarbeiter das Zahlenwerk, das heuer auf 64 Seiten alle Marktdetails umfasst und für 100 Euro im Landratsamt erhältlich ist.

Die Preissteigerung wird sich nach Einschätzung des Experten Sinning allenfalls abschwächen, aber nicht umkehren. Bauland sei nicht vermehrbar, die Gemeinden seien bei der Ausweisung angesichts vieler Landschaftsschutzgebiete vorsichtig und der Zuzug in den Großraum sei zu stark. Allein München erwarte 300 000 Neubürger in zwei Jahrzehnten. Eine Blase sei nicht erkennbar, das Geschäft mit Immobilien sei ein "Perpetuum Mobile."

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SZ vom 04.08.2018/axi
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